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Zwischenruf: Religion bei Jauch

Zweimal im Wochenabstand hat Günther Jauch das Thema Katholische Kirche in seiner Sendung gehabt. Den thematischen Anlässen gilt mein Zwischenruf nicht. Dazu hat heute Morgen zum Beispiel in FAZ Online Frank Lübberding Treffendes und Treffliches geschrieben. Ich wende mich vielmehr der Zurückhaltung des EKD-Ratspräsidenten Nikolaus Schneider zu. Er vertrat „den“ Protestantismus in der Runde. Seine Loyalitätsadresse (so muss man es ja wohl nennen) an den katholischen „Partner“ ist mir unangenehm aufgestoßen. Wenn ein Protestant nicht mehr zu dem aktuellen Zustand des Katholizismus zu sagen hat, dann ist das recht erbärmlich. Höflichkeit in allen Ehren, aber ein klarer Standpunkt hätte in der Runde durchaus vertreten werden dürfen. Vielleicht fühlt sich der EKD-Ratspräsident aber ebenfalls viel zu sehr in der Defensive seines Glaubens, als dass er gegenüber diesem Katholizismus noch aufzumucken wagte.

Jauch
Jauch

Es sei nur daran erinnert, dass sich das Wort „Protestant“ vom Protest, vom Widerstand der „Evangelischen“ Reichsstände gegen die katholische Mehrheit auf dem zweiten Reichstag in Speyer 1529 herleitet. Kaiser Karl V. hatte hier den aufweichenden Beschluss des ersten Speyrer Reichstages bezüglich des Wormser Edikts (1521, Reichsacht über Martin Luther) durch eine harte, konservative Regelung rückgängig machen wollen. Dagegen protestierten die evangelischen Fürsten und Reichsstädte. Das war die Geburtsstunde zumindest der Bezeichnung „Protestanten“. Der Sache nach traf das aber viel tiefgründiger. Aus unterschiedlichsten Interessen heraus hatten sich der Reformator Martin Luther mit seinen Anhängern und eine Reihe von Reichsfürsten und freien Reichsstädten gegen die katholische Mehrheit verbündet. Man lese Einzelheiten dazu an geeigneter Stelle nach (Wikipedia zum Beispiel). Es hatte dem theologisch und biblisch begründeten Widerstand Luthers gegen den herrschenden römischen Katholizismus eine wirkungsvolle politische Basis verliehen. Aus dem „kleinen Mönchlein“ aus Erfurt bzw. Wittenberg war eine machtpolitische Größe geworden, ohne die die Entstehung des Protestantismus und der protestantischen (Landes-) Kirchen nicht möglich gewesen wäre. Ohne hier auf die kontrovers diskutierten verwickelten geschichtlichen Verhältnisse und Prozesse der „Reformationszeit“ eingehen zu können bzw. zu wollen, kann man doch so viel sagen: Keimzelle des Protestantismus war das Aufbegehren, der innerkirchliche und dann sogar machtpolitische Widerstand gegen eine als verrottet und unreformierbar erlebte römisch-katholische Kirche.

Nun, damit sind wir bei allen Unterschieden der heutigen gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse, in denen sich Katholizismus und Protestantismus arrangieren, gar nicht so weit von der Zeit vor 500 Jahren entfernt. Heute deutlicher als noch vor wenigen Jahrzehnten wird die Katholische Kirche in großen Teilen als ein moralisch verrottetes, konservativ verknöchertes, offenbar dem puren Selbsterhalt der kirchlichen Macht alter Männer dienendes System sichtbar. Wahrlich ein Anlass zu „Protestation“ und Widerstand! Die faktische Bedeutungslosigkeit und Selbstüberschätzung der katholischen Amtsträger beschreibt Lübberding sehr zutreffend: „Im Grunde nimmt man ihn [den kath Klerus] nur noch ernst, weil er halt noch da ist.“ Offenbar sind heute Journalisten und Medienleute die besseren und sachgerechteren „Protestanten“. Den Auftritt von Nikolaus Schneider empfand ich als „Protestant“ nur als peinlich berührendes Wegducken. So kann man auch als Protestant heute keinen Blumentopf gewinnen.

Der Protestantismus wollte bei seinem Aufbruch die „bessere“ christlich-kirchliche Alternative sein. Ob ihm das in knapp 500 Jahren gelungen ist, mag man mit Fug und Recht bezweifeln. Zumindest war er aber oft genug der Stachel im Fleisch einer saturierten und strukturell erstarrten Christenheit, wie sie sich im zumal deutschen Katholizismus zeigte und zeigt. Es wäre an der Zeit, gerade auch im Blick auf das 2017 anstehende Reformationsjubiläum, als Protestant christlich und kirchlich, freiheitlich und persönlich (auch personell!) „klare Kante“ zu zeigen, insbesondere gegenüber dem morbiden römischen Katholizismus. Unsere Gesellschaft hätte das durchaus nötig, das heutige Christentum sowieso. Den typischen Katholizismus, zu allerletzt den eines Martin Lohmann, haben sie, haben wir aber wirklich nicht verdient.

 

UPDATE 13:00h

Mein Zwischenruf wird von der Wirklichkeit überholt: Papst will zurücktreten
http://www.n-tv.de/panorama/Papst-Benedikt-XVI-gibt-Pontifikat-auf-article10098531.html