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Evangelisch – aber richtig

Bemerkungen zur diesjährigen EKD-Tagung

Die diesjährige Tagung der Synode (Vollversammlung) der EKD in Magdeburg wurde medial recht randständig wahrgenommen, Präses Schneider ist doch kein Ersatz für den beliebten Superstar Käßmann. Aber das tut der Synodaltagung nur gut, auch in den Medien konnte darum mehr über die Sachthemen berichtet werden. Ausführliches findet man dazu natürlich nicht so sehr in den überregionalen Tageszeitungen als auf den EKD-Seiten im Internet oder auf dem guten Portal EVANGELISCH.

Dass man sich inzwischen ernsthaft Gedanken macht über die Zukunft der evangelischen Christenheit angesichts der Religionslosigkeit der säkularen Gesellschaft und angesichts der demographischen Entwicklung, ist auch überfällig – und zwar Gedanken, die endlich einmal den Rahmen der traditionellen Antworten sprengen. Dazu gehört für mich das Interview mit dem Hannoverschen Landesbischof Rolf Meister mit idea. Meister vertritt einen Protestantismus des freien Angebotes, ‚was den Menschen gut tut‘, verbunden mit der Offenheit für neue Formen des Evangelischen, eben einen selbstbewussten Protestantismus – sehr erfrischend. „Es gibt in unserer Gesellschaft ein verändertes religiöses Wahlverhalten. Die Religion wird nicht mehr so einfach vom Elternhaus geerbt, sondern individuell ausgesucht.“ Darauf gilt es sich einzustellen.

Auch die Äußerungen zum Thema Mission, vom Stichwort her eher altertümlich und konservativ klingend, könnten mutig und sich öffnend klingen, wenn man dafür den Vortrag des Missionsexperten Hans-Herrman Pompe heran zieht: „Kirchen müssen sich für mehr Gruppen öffnen.“ In der Tat, das ist für den Protestantismus lange überfällig. Wie sagte er treffend? „Eine Kirche, in der 200 Zuschauer am Rand sitzen und dem Pfarrer als einzigem Feldspieler zusehen, hat keine Zukunft.“ Auch sein Hinweis auf die eher am traditionell bürgerlichen Rahmen orientierte Kirchenmusik, die am „spaß- und erlebnisorientierten Konfirmanden“ völlig vorbei geht, ist zutreffend beobachtet. Hier liegen Chancen, die man nur ergreifen – , die man nur wollen muss.

Neue Formen erprobte offenbar auch die Synode als Vollversammlung mit 160 Mitgliedern plus Gästen. Im „Weltcafé“ (warum musste man es auch „world café“ nennen?) sprang man über den Schatten einer nur frontal operierenden Versammlung und erprobte offenbar mit viel Anklang das offene, thematisch strukturierte Gespräch in Gruppen. Der Bericht darüber stimmt sehr positiv. „Ich hatte den Eindruck, dass konzentriert und intensiv diskutiert wurde“, freute sich Synoden-Prässes Katrin Göring-Eckardt. Allerdings: Sie fühlte sich befangen in Sachen Weltcafé, denn „da fragen sie die, die es gewollt hat“.

Zwei Bemerkungen muss ich noch zum Bericht des Vorsitzenden der EKD, Präses Nikolaus Schneider, machen. In seinen Worten klang noch viel vom sattsam bekannten Klischee „evangelisch“ durch einschließlich der moralischen Entrüstung über alles Böse in der Welt, besonders der Finanzwelt. Wenn er aber das Papstwort von Erfurt aufnehmend formuliert, die Gottesfrage sei die „Kernfrage reformatorischen Glaubens“, dann liegt er genau falsch und lässt sich dies Thema vom Papst vorgeben. Reformatorisch ist es eben nicht die abstrakte „Gottesfrage“, die dann hierarchisch-klerikal zu beantworten wäre, sondern die Frage nach Gott ist immer zugleich verbunden mit der Frage nach dem Menschen, nach dem rechten Menschsein in Freiheit und Dienst. Das weiß dann auch Schneider, wenn er fortfährt:  „Für die Evangelische Kirche in Deutschland ist es unverzichtbar, mit den Menschen nach Gott zu fragen, nicht an ihnen vorbei oder gar ohne sie. Und mit den Menschen – mit Frauen und Männern, mit Laien und Theologen, mit Bischöfinnen und Synoden – nach konkreten Antworten auf Gottes Wort in der Welt zu suchen.“ Das ist noch etwas dünn, geht aber in die richtige Richtung. Wer nach Gott fragt, fragt nach dem Menschen – und umgekehrt; eins lässt sich vom anderen nicht trennen (Luther). Hier gilt es wahrlich, selbstbewusst zu sein!

Darum ist auch der Rekurs auf die Ängste des Menschen, die Religion nötig machten, viel zu kurz gegriffen; das erneuert nur die alten Lückenbüßer-Argumente: „Gott befreit uns aus Angst, Verzagtheit, falschen Abhängigkeiten.“ (Katrin Göring-Eckardt), und auch Schneider stößt in dieses Horn: „Es braucht eine Antwort des Glaubens, die auf die tiefen Verlusterfahrungen und Ängste zu antworten weiß“. Nein, nein, das ist zu wenig, denn da kann auch ebenso gut der Psychologe helfen. „Evangelisch“ hat mehr zu bieten: ein positives, freies, vernünftiges Verständnis vom Menschen, seinen Chancen und Möglichkeiten, in guter Zuversicht zu leben, und eben dies als eigentliches „Gottesverhältnis“, als seinen „Gottesdienst“ zu verstehen.