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>Merkwürdiger Feiertag

>“Mariä Himmelfahrt“ – was für ein Name, was für ein merkwürdiger Feiertag! Es gibt ihn in Deutschland als gesetzlichen Feiertag uneingeschränkt nur im Saarland und in Bayern, dort „nur“ in den 1700 überwiegend katholischen Kommunen, in den 356 evangelischen dagegen nicht (Bevölkerungsstand maßgeblich nach Volkszählung 1987 – siehe heutige Info des Bayerischen Rundfunks). Nicht einmal im katholischen Rheinland oder Münsterland, auch nicht im katholischen Mainz oder Aachen wird dieser Tag als „gesetzlicher“ Feiertag begangen. Es ist auch absolut nicht einzusehen, warum eine konfessionelle „Sonderlehre“ mittelalterlichen Gepräges zum für alle verbindlichen gesetzlich geschützten (denn das bedeutet es ja, siehe das gültige Feiertagsgesetz des Saarlandes von 1976 und das bayerische Feiertagsgesetz in der Fasung von 2006) Feiertag dekretiert wird. Hier hat die katholische Kirche ihren machtvollen Einfluss noch einmal durchsetzen können, zumindest in 2 Bundesländern – typisch könnte man sagen.

Die dahinter stehende Glaubenslehre einer „leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel“ ist abenteuerlich und, was das Weltbild angeht, mittelalterlich. Man kann sie tatsächlich nur als Aberglauben und frommes Märchen  bezeichnen, auch wenn das röm.-katholische Dogma, dass die „Gottesmutter“ Maria „nach Vollendung ihres irdischen Lebens mit Leib und Seele zur himmlischen Herrlichkeit“ aufgenommen worden sei, erst 1950 durch Papst Pius XII. (ja, der zweifelhafte Nazi-Papst) verkündet wurde, also zu dem gemacht wurde, was für alle katholischen Kirchenmitglieder zu glauben heilsnotwendig ist. Es war eine der jüngsten „unfehlbaren“ „Ex-Kathedra-Entscheidungen“ eines Papstes. Ob Pius aus theologischer Überzeugung handelte oder eher aus kirchen-, d.h. machtpolitischen Erwägungen heraus (nämlich durch Instrumentalisierung der Marienfrömmigkeit im Kampf der kath. Kirche gegen den atheistischen Kommunismus), sei einmal dahin gestellt.

Die besondere Marienverehrung, die hinter der Lehre und schließlich auch dem Dogma der leibhaften „Himmelfahrt“ Marias steht, ist in der römischen Kirche seit Jahrhunderten verbreitet, und auch dieser Feiertag ist schon im 6. Jahrhundert bezeugt. Um eine theologische Bewertung hat sich die katholische Kirche aber immer wieder gedrückt. Ihre Theologen schwanken zwischen einer Behauptung als „Glaubenstatsache“ und einer mehr symbolischen Deutung. Jedenfalls ist heute sogar manchen Klerikern bei diesem und ähnlichen Dogmatisierungen etwas mulmig geworden. – Mit diesem Feiertag hat sich – wie üblich- allerlei Brauchtum (Kräutersegungen) verbunden.

Es ist schon merkwürdig und äußerst fragwürdig, in einer angeblich aufgeklärten und säkularen Gesellschaft einen solchen speziellen römischen Feiertag gesetzlich zu begehen; von einer gewissen Ambivalenz zeugt ja auch das bayerische Feiertagsgesetz, das seinen evangelischen Bürgen diesen Tag als gesetzlich verordnet nicht zumuten möchte. Aber was ist eigentlich mit den nichtchristlichen Mitbürgern? Es gibt zunehmend konfessionslose Menschen, sogar in Bayern, von Angehörigen anderer Religionen und religösen Überzeugungen einmal ganz abgesehen. Man sieht: Das Feiertagsgesetz bedarf dringend einer Überarbeitung und Anpassung an die heutige Welt. Da wünscht man sich auf jeden Fall mehr Trennung von Kirche und Staat. Man könnte ja für diesen Feiertag, um ihn den Arbeitnehmern nicht wegzunehmen, einen säkularen Gehalt geben, Tag der Kinder zum Beispiel (nach Vatertag und Muttertag), dann aber gesetzlich gültig für alle Bürger!

Allerdings ist damit wohl vorerst in Bayern nicht zu rechnen; der Katholizismus hier ist noch zu mächtig und einflussreich, als dass eine „bürgerliche“ Staatsregierung, zumal eine von der CSU getragene, hier Konflikte suchen würde. Der Katholizismus in Bayern ist schon von einer besonderen Ausprägung in einer (un-)heiligen Allianz mit vielfältigem Brauchtum, wie ich es weder aus dem katholischen Rheinland noch aus Westfalen kenne (Münster, Paderborn!). Die Inflation von Bergmessen, vor denen es kein Entkommen zu geben scheint, zeugt ebenfalls davon. Ich kann diesen Katholizismus nur als fundamentalistisch bezeichnen, wenn ich (nur als Beispiel) an eine Leserbriefkampagne denke, die just vor einem Monat in der hiesigen Allgäuer Zeitung zum Thema Fronleichnam geführt wurde. Der evangelisch-freikirchlicher Pfarrer und Buchautor Horst Stricker hatte öffentlich die Fronleichnamsprozessionen kritisiert, sie förderten „Aberglaube und Magie“ (vgl. Bericht und Leserbriefe in der AZ Mitte Juli fast täglich, leider sind sie nicht im Internet zugänglich). Es gab wütende Proteste, die, und vor allem deren Begründungen, einen daran zweifeln lassen, dass hier noch vernünftig Menschen denken und schreiben. Dass Bayern beim aufgedeckten Missbrauch in kirchlichen Internaten deutschlandweit an der Spitze liegt, ist gewiss auch noch in Erinnerung. Eifernden Fundamentalismus gibt es wahrhaftig nicht nur im Islam. Und mittelalterlich, will sagen vor-aufgeklärt antisäkular, möchten die römischen Katholiken unter Papst Ratzinger ja gerne wieder sein.

(c) KNA