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>Risk to fail

>Zwei Beiträge in der FAZ und FAS dieses Wochenendes befassen sich mit der Lage in der Euro-Währungsunion: Die bekannten Ökonomen Alfred Schüller (Das fatale Einheitsdenken) und Robert Mundell („Der Euro hält viel aus“), die von ihrer ökonomischen Theorie her unterschiedlicher nicht sein könnten, äußern sich zum Euro und zur EU-Finanzpolitik. Wenn die beiden älteren und erfahrenen Wissenschaftler dann im Wesentlichen zu demselben Ergebnis kommen, könnte allein das ein Hinweis sein, dass da etwas dran sein muss.

Schüller ist klassischer Marktliberaler der Hajek-Schule, „Ordo-Liberale“ nennt man sie. Wenn es auch immer wieder ergreifend ist zu lesen, wie Vertreter dieser Richtung alles Wehe vom dirigistischen Staat befürchten und alles Wohl vom freien Markt erwarten, dabei die Vorteile des freien Austausches der „homines oeconomici“ (die angeblich nur rational handeln können) hervorheben und die Nachteile der zunehmend ungleichen Verteilung von Einkommen und Vermögen (die berühmte „Schere“, die ja in einem wirtschaftlich und finanzpolitisch seit Thatcher besonders „liberalen“ Staat wie Groß Britannien auch besonders krass ist) verschweigen. Eine Grundvoraussetzung ihrer Theorie vergessen die „lupenreinen“ Marktliberalen gerne: Dass es nämlich quasi „reine“ Märkte geben könnte ohne Einwirkungen von anderen und von außen, sozusagen einen neutraler Anfangszustand, auf dem dann der homo oeconomicus gleich und gerecht aufbauen und sich entfalten könnte. In der Wirklichkeit, wie sie ist, sind Märkte aber immer schon vielfältig verflochten, miteinander und auch mit macht-, wirtschafts- und sogar kulturpolitischen Interessen, durch politische Vorgaben und Rahmenbedingungen bestimmt und ihrerseits Politik und Interessen instrumentalisierend. Der Knüppel „Saint Simon“ verfängt da gegenüber den Franzosen ebenso wenig, wie die deutschen Wirtschaftspolitik jemals (auch unter Erhardt nicht) liberalistisch gewesen wäre. Dennoch legt Schüller zu Recht den Finger in die Wunde der Gründung der Eurozone: „Kann der fatale Geburtsfehler des Euro (mangelnde Abstimmung der dezentralen Finanz- und Wirtschaftspolitik mit der zentralisierten Geldpolitik) mit Hilfe einer wie auch immer organisierten „Vergemeinschaftung der Finanzpolitik“ korrigiert werden?“ Dazu wären sowohl klare Regeln („gelbe Karte“) wie auch klare Sanktionen („rote Karte“) nötig. Wer nicht scheitern kann, wird auch nicht verantwortlich handeln. „To big to fail“ war und ist eine verheerende Maxime des finanzpolitischen Handelns geworden. Ohne „risk to fail“ können Wirtschafts- und Finanzakteure nicht zur Verantwortung gezwungen und zum Haften für ihre eigenen Fehler gebracht werden. Schüller ist zuzustimmen, wenn er schreibt: „Fazit: Mit den verschiedenen Aspekten der Stabilisierungspolitik dürfte es nicht gelingen, jenen Verzicht auf wirtschaftspolitische Souveränitätsrechte der Mitgliedsländer zu erwirken, der erforderlich ist, um den Geburtsfehler des Euro dauerhaft zu korrigieren. Ein Spiel mit gelben Karten, bei dem jeder weiß, dass keine rote Karte droht, verschlechtert die Spielkultur und läuft in der EU auf eine Politik des Fortwurstelns mit neuen Täuschungen und Fehlschlägen hinaus.“

Aus einer ganz anderen Ecke kommt Robert Mundell, Nobelpreisträger 1999. Auch er gilt zwar als „konservativ“, aber eben keinesfalls als „liberaler“. Als Theoretiker von optimalen Währungsräumen war Mundell zwar ein Befürworter der Einführung des Euro, aber unter sehr genau bestimmten Bedingungen, nämlich einer einheitlichen und straffen Finanzpolitik mit einem ebenso klaren Wechselkursregime. Beides wurde nicht eingehalten, auch von Deutschland und Frankreich nicht. Fazit für die Situation jetzt: „Erstens: Die Staaten brauchen für eine Übergangszeit Geld, damit sie nicht zahlungsunfähig werden. Zweitens: Die Länder müssen ihre Haushalte anpassen, Geld sparen und sie müssen endlich die Verantwortung für ihre Schulden übernehmen.“ Und außerdem fordert Mundell natürlich ein System fester Wechselkurse, auch zwischen den USA, Europa, China und Japan: „Nein. Ungleichgewichte entstehen nicht durch fixe Wechselkurse. Die entstehen dadurch, dass manche Länder mehr Geld ausgeben, als sie haben. Und weil ihnen jemand diese Ausgaben finanziert.“ Also fordert auch er zu allererst die Übernahme von Verantwortung; sein Beispiel dafür sind die „Staatspleiten“ von US-Bundesstaaten während der vergangenen 2 Jahrhunderte. Mmh, nun ja, ob das Beispiel taugt, sei dahin gestellt. Richtig scheint jedenfalls, dass auch Mundell die Zuordnung klarer Verantwortung und eine transparente Finanzpolitik fordert, die endlich „glaubwürdig spart“ – und sinnvoll spart.

Bleibt also die Erkenntnis, die ja schon viele andere Finanzwissenenschaftler und -politiker gefordert haben:  Die bisher verfolgte Maxime „to big to fail“ ist keine Lösung, sondern Teil des derzeitigen Problems. Wenn Staaten im Euroraum nicht scheitern können, werden sie auch ihre Politik nicht ändern. Griechenland zeigt es derzeit ja wieder. Warum sparen, wenn die EU ja jederzeit neues Geld bereit stellt? Genau damit muss Schluss sein. Das „risk to fail“ scheint das einzige Mittel zu sein, eine wirkliche Änderung des finanzpolitischen Verhaltens herbei zu führen.

Allerdings nicht nur gegenüber Ländern, sondern auch gegenüber Finanzinstituten und Fonds! Die Banken-Rückversicherung auf Steuerkosten ist einer der größten Fehler der letzten 2 Jahre. Hier darf sich die Politik aus meiner Sicht nicht weiter am Nasenring durch die Manege der global agierenden Finanzakteure führen lassen.