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Computer Neurowissenschaften

>Der Fortschritt ist eine Schnecke

>Einen guten und illusionslosen Artikel hat Joachim Müller-Jung geschrieben und Neuro-Chips und Künstliche Intelligenz, dessen Kernsätze lauten:

„In der Originalpublikation der IBM-Chipentwickler liest man da ganz anderes. Dort wird das „cognitive Computing“ heraufbeschworen und mit der Idee gespielt, „dank neuer Durchbrüche in der Nanotechnik einen neuromorphen Chip herzustellen, der aus einer Million Nervenzellen und zehn Billionen Synapsen pro Quadratzentimeter besteht“ – was bei einem angepeilten Volumen von zwei Litern der Leitungs- und Zelldichte des menschlichen Gehirns zumindest auf wenigstens zwei Größenordnungen nahe käme. Aber schon im Folgesatz des Artikels erscheinen die Chancen, dieses Maximalziel zu verwirklichen, als unkalkulierbar: „Die schlechte Nachricht sei“, so schreiben die Forscher, „dass bisher ja leider nicht einmal der Kernsatz von Algorithmen, mit denen das Gehirn arbeite, entdeckt worden ist.“ (Hervorhebung von mir.)

„Der Fortschritt ist auch hier eine Schnecke. Gut sechzigtausend wissenschaftlicher Dokumente werden jedes Jahr veröffentlicht, die jeweils die Rolle eines bestimmten Gens, eines Moleküls oder Prozesse des elektrischen Verhaltens von Hirnzellen und ihrer Vernetzung beschreiben. Und doch braucht es, um auch nur die Rechenleistung einer einzelnen Nervenzelle zu simulieren, immer noch die Kapazitäten eines ganzen Laptops. Das Meisterstück der Evolution erscheint uns noch immer wie Magie.“

Das alles hat offenbar viel mehr mit Verkaufen als mit Forschen zu tun; für die Einwerbung von Drittmitteln ist eben mediale Aufmerksamkeit alles. Aber auch Ray Kurzweils Phantasien können nicht darüber hinweg täuschen, dass der Weg zum Verständnis der Arbeitsweise des menschlichen Gehirns noch sehr, sehr weit ist. Seien wir doch einfach etwas geduldiger und bescheidener!