>Nach längerer Pause – umzugsbedingt – werfe ich wieder meinen öffentlichen Blick auf die mich umgebende Welt. Dabei geht es mir wie nach einer längeren Reise: Man kehrt zurück, schaut sich um und wundert sich, dass sich gar nichts verändert hat. Meist kann man auch die Zeitung einfach weiterlesen, und nur selten fällt es auf, dass man einige Wochen ausgeklinkt war. Diese Erfahrung spricht nicht unbedingt für die existenzielle Bedeutung der Jagd nach ’news‘ und Aktualität.
Nun denn also: Was geschieht? Die Krise geschieht, natürlich. Es hat noch mehr Geld gegeben, über Staatsübernahme und Enteignung wird geredet. Der AIG-Konzern, ein wirklicher global player, ist schon faktisch verstaatlicht, weil seine bisherigen Eigentümer durch den Absturz der Aktie ins Bodenlose (bei derzeit 35 ct. an der NYSE ein penny stock) und dem drohenden Konkurs ihres Eigentums weitgehend verlustig gingen. Dass bei der Milliardenunterstützung durch die US-Regierung sogar die Deutsche Bank erheblich profitieren konnte, ist eine besondere Ironie der gegenwärtigen Finanzkrise.
Aber halt, was schreibe ich: Finanzkrise? Ist es nicht eine tiefgreifende Wirtschaftskrise, ja eine grundstürzende Systemkrise, eine Existenzkrise der westlichen Welt? Und bietet sich nicht gerade China – wiederum: welch Ironie der Weltgeschichte! – als Retter des Abendlandes an: „Fürchtet euch nicht, wir sind bei euch“? Nun, Krisen reizen immer wieder dazu, dass man sich darin badet: Immer noch schlimmer, noch tiefer, noch kritischer sei die Krise, hört man manche Fachleute verlautbaren. Dabei weiß inzwischen jedes Kind, dass in der Wirtschaft und erst recht in der Finanzwelt mindestens 50% Psychologie ist. Das ist wenig tröstlich, denn „Psychologie“, das bedeutet eben auch: nicht rational, nicht steuerbar, nicht vorherseh- und vorhersagbar. Insofern verhält sich die Wirtschafts- und Finanzwelt derzeit wie das Leben selbst: einerseits selbstgefällig, andererseits recht chaotisch. Bleibt nur zu hoffen, dass nicht wieder irgend jemand den altbekannten und oft genutzten kriegerischen Weg wählt, um einen „Ausweg“ aus der Krise zu finden. Dass dies keine Schwarzmalerei, sondern ein sehr nüchterner Gedanke sein kann, das zeigt Thomas Strobel in seinem lesenswerten Blog „Chaos as usual“ über den Weltkrieg als Konjunkturprogramm.
Ansonsten geht es in der Welt zu wie immer: Tibet steht vor dem Abgrund, Nordkorea vor dem Abschuss , Obama vor dem Abheben und das Bankgeheimnis mancher europäischer Nachbarn vor dem Ableben, everything as usual. Echauffieren wir uns also nicht zu sehr, sondern hoffen auf den positiven Wandel: Der nächste Frühling kommt bestimmt, wenn auch noch nicht ganz sicher ist, wann und wo…