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Softpower und Hardware

An der Nadel der US-Unternehmen

Es ist nicht ganz neu und vielleicht auch nicht sonderlich originell – aber mir ist anlässlich der jüngsten Berichterstattung über das britische Gerichtsverfahren zur Auslieferung von Julian Assange etwas bewusst geworden. Assange beklagte sich unter anderem darüber, „durch die Entscheidung von Zahlungsabwicklern wie Visa und Mastercard, keine Geschäfte mehr mit Wikileaks zu machen, seien Finanzmittel in Millionenhöhe nicht mehr erreichbar oder hätten von Unterstützern gar nicht erst gespendet werden können“ (n-tv). Assange sprach von einer „finanziellen Blockade“.

Mir geht es hierbei nicht um den Fall Assange, wie immer man zu ihm und Wikileaks steht, sondern um die Weigerung von Finanzdienstleistern, weiterhin mit einem bestimmten Kunden Geschäfte zu machen. Dass dies so einfach geht, dass es sich um ein offenbar abgestimmtes Verhalten der betreffenden Unternehmen handelte, dass es dagegen kaum Einspruchsmöglichkeiten gibt, weil ebenso offenkundig der massive Druck der US-Behörden auf diese Unternehmen ausgereicht hat – das alles gibt mir doch sehr zu denken. Denn es handelt sich bei diesen „Finanzdienstleistern“ allemal um US-amerikanische Unternehmen. Und genau da liegt das Problem.

Sie alle unterliegen dem Homeland Security Act (Patriot Act), der Zugriffe auf Server aller US-Unternehmen erlaubt, wo immer sie sich – auch im Ausland – befinden. Ganz schön arrogant. Was die US-Behörden danach sonst noch alles dürfen, ist obendrein geheim. Und den Zugriff auf die Root-Server des Internet lässt sich die US-Regierung sowieso nicht nehmen. Sie wären auch schön dumm, diesen strategischen Vorteil in wirtschaftlicher und machtpolitischer Hinsicht freiwillig aus der Hand zu geben. Wer das von der Privatisierung ICANN’s erwartet hatte, ist recht naiv gewesen.

Ich habe mal einen Augenblick überlegt, welche Möglichkeiten es denn gibt, am Zahlungsverkehr im Internet teilzunehmen, ohne US-Firmen zu nutzen. Mmh, das wird schwierig: Visa, Mastercard, AmEx, PayPal – alle amerikanisch. Da fiel mir doch ein, dass auch meine normale EC-Karte einem Kreditkarten-System angeschlossen ist: Maestro. Geschnitten. Maestro ist der Debitkarten-Ableger von Mastercard. Da bleiben nur noch 2 Möglichkeiten übrig: Click&Buy (gehört jetzt der Dt. Telekom) und GiroPay des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Diese Zahlungsmöglichkeiten werden aber nicht bei allen Online-Geschäften angeboten, international schon gar nicht. Da bleiben nur die US-„Dienstleister“ – wenn sie denn wollen bzw. dürfen.

Den Gedanken ein wenig weiter gesponnen: Dasselbe trift ja auf alle großen Internet-Plattformen und sozialen Netzwerke zu, da ist die US-amerikanische Dominanz absolut erdrückend: Google, Amazon, Twitter, Facebook, Yahoo, Flickr, auch Apple könnte man nennen. Nichts Europäisches in Sicht – „quaero“ war so ziemlich von Anfang an eine Totgeburt wegen deutsch-französischer Konkurrenz. Frank Schirrmachers Aufschrei im Juli klang etwas naiv, hatte aber in der Sache Recht: Der US-Dominanz an Softwaretechnik und Internet-Unternehmen, die ihr Geschäft können und Kundenwünsche perfekt bedienen, hat Europa, hat auch Deutschland nichts entgegen zu setzen. SAP ist da eigentlich kein Lichtblick. Und vergleicht man die bequemen Möglichkeiten von Googlemail mit dem Online-Mail – Angebot von GMX / WebDE (1&1 United Internet), dann sieht man schnell, wie groß der Unterschied an Qualität und Service ist – und bleibt doch bei Googlemail. Bei der nächsten Stufe des Internetbooms, dem Cloud-Computing, laufen wir in EU und D auch wieder den US-Angeboten hinterher.

Wir in Deutschland sind immer stolz auf unsere starke industrielle Basis; wir bauen begehrte Maschinen und tolle Autos, bessere jedenfalls als die Amerikaner. In dieser Hinsicht sind wir groß in „hardware“. Aber welche Software steuert demnächst unsere Autos? Welche Software steuert heute schon unser Internet-Verhalten, unsere Kommunikation, praktisch unser ganzes Leben mit den zunehmend fließenden Übergängen von online und offline? In „software“ haben wir offenbar konkurrenzfähig nichts zu bieten.

Dumm nur, dass überzeugende Software und gute Internet-Angebote so etwas wie „softpower“ sind und dass darin offenbar die Zukunft steckt.