Die euphorische Adler ist gelandet. Nach dem Katzenjammer (SLobo) über die Bedeutungslosigkeit der Netizens folgt nun das Entsetzen, dass es im Netz auch nur zu geht wie IRL = in real life. Ökonomische wie machtpolitische Interessen, Kontrolle, Verschleierung, das Machbare machen zu Gunsten der Machthaber. Über die gläubigen Piraten und ihre Netzreligion spricht schon gar niemand mehr.
Man hätte es wissen können. Auch Snowden hat eigentlich nichts an neuen Fakten an den Tag gebracht, was man so oder ähnlich nicht vorher hätte erfahren und wissen können. Einige Fakten bleiben unklar (DE-CIX). Manche aktuell zitierten Äußerungen von (Ex-) Geheimdienstlern sind Monate oder Jahre alt. Snowden und seine Jagd als Spielball der Mächtigen peppen das Ganze nur medial genial auf. Als Mensch kann er einem jetzt schon leid tun, was immer seine Motive sind.

Dass das Internet und all seine „Errungenschaften“ (DDR Jargon) nicht das neue Evangelium sein kann, konnte dem nüchtern Bleibenden nicht verborgen sein. Jede Technik ist zwiespältig, zumal eine so neue und umwälzende. Darüber hinaus ist das Internet zugleich das Medium universeller (und damit auch universaler) Digitalisierung. Nur beides gemeinsam ergibt diesen ungeheuren Schub der Veränderung. Was Wunder, wenn es da so einige Kollateralschäden gibt. Die beklagten negativen Effekte, die „natürlich“ niemand wollte (wie war das mit dem Slogan „Kontrollverlust“ und der Spackeria?), sind die fast zwangsläufige Kehrseite technologisch-sozialer Umwälzungen. Sie rufen Nutzer und Interessenten aller Couleur auf den Plan. Gutwillige Idealisten sind auch hierbei schnell als dümmliche Träumer abgestempelt. Dabei ist Realismus angesagt.
Man vergisst leicht: Bürgerrechte wurden noch nie geschenkt, schon gar nicht einfach durch eine Technik „bereit gestellt“. Das Netz als Möglichkeit der Partizipation und verbesserten Kommunikation / Öffentlichkeit ist absolut keine Selbstverständlichkeit. Was sich in der Zeit des Aufbruchs scheinbar spielerisch von selbst einstellte, muss unter den Bedingungen ökonomischer, machtpolitischer, finanzieller, mafiöser Interessen und Aneignung neu definiert und erkämpft werden. Der Freiraum Internet (Netzfreiheit), die erweiterte Kommunikation sozialer Plattformen, die Chancen der Digitalisierung (Bildung) fallen nicht vom Himmel.
Dies zumindest macht die Causa Snowden offenkundig. Wer es noch nicht wusste, weiß es jetzt. Das Netz und die Digitalisierung machen nicht alle früheren Kommunikationstechniken obsolet. Wie liest man heute bei Alexander Kissler (Cicero oder Focus) über diesen „Modus des Unbehagens“: „Daneben wird der aufgeklärte Nutzer sich des Briefes entsinnen, der keine Datenspur zieht.“ Da ist es: Briefeschreiben als Möglichkeit des Eskapismus. Das ist vielleicht besser als die gerade wieder zahlreichen Anleitungen für private Verschlüsselungstechniken. Der freie Bürger aber möchte sich nicht verstecken oder verschlüsseln, sondern in seiner Privatsphäre unbehelligt und geschützt sein.
Lerne: Darum muss gekämpft werden. Die Auseinandersetzung hat gerade erst begonnen.