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Daten, Daten, daten

[Netzkultur]

Bundestagswahl und GroKo sind nun endlich durch. AIDA (Ausschuss für Internet und digitale Agenda) erwies sich als Schnellschuss und Flop – vorerst. Und dann der Shitstrom über Sexismus, der Shitstorm über – über – über. Danach die NSA. Und immer wieder Snowden. War nicht stark, eher breit wie Quark. Bei Twitter nichts Neues.

Ach ja, der NSA-Skandal – „Geheimdienste arbeiten ja – – – G E H E I M !!“ (Dieter Nuhr). Unglaublich. Da werden ohne Anlass und Ende Daten erfasst. Auch deine und meine. Handy-Telefon, Email, soziale Medien, einfach alles. Also alles im Netz bzw. den diversen Netzen, Blasen, Kreisen, Timelines. Sogar VISA – Transaktionen werden erfasst. Uah, unglaublich. Beispielloser Skandal. Bürgerrechte im Eimer. Privatsphäre sowieso. Vom Intertnet-Paradies direkt in die NSA-Hölle. Grrmpf.

Netz. Warum wird das von der Netzgemeinde stets mit Kommunikation und Freiheit assoziiert? Das Spinnennetz ist eine Falle zum Fangen. Das Fischernetz ebenso. Fangnetze, Mittel zum Beutemachen. Wenn einem etwas ins Netz geht, hat man es – gefangen. Der neu erklärte Netzbürger – im Netz verfangen. Eigentlich klar. Neuland ist abgebrannt.

Google hat das längst verstanden, Amazon sowieso, Microsoft brauchte etwas länger. Der Verbraucher im Netz wird umgarnt. Und oft geleimt. Wie bei allen Schnäppchen. Dabei gibts im Netz weit mehr als Billiges. Interessantes, Gutes, Tolles, das man nicht missen möchte. Der Köder für die Daten. Sex sells.

Dies Inter-Netz ist dabei sehr offen mit seinen Ansprüchen. Ganz anders als das fast unsichtbare Spinnennetz. Darin verfängt sich die Beute unerwartet. Das Internet zeigt seine Prinzipien offen: „Wer tauscht denn heute keine Daten aus? Das ist doch das Geschäftsmodell des Internet.“ sagt ein „Datenbroker“. Ein Geben und Nehmen. Umsonst und kostenlos ist nichts im Netz.

Eigene Daten für Kommunikation, für Freunde, für „Likes“ oder „Plusse“. Daten für Waren und Dienste. Daten für Digitales und Reales. Nicht Bitcoin ist die neue Währung. Daten sind es.

Wir haben Daten ja massenhaft zur Verfügung. Eine Währung, die uns nie ausgeht. Daten darüber, wer wir sind, was wir tun, wo wir uns bewegen, was wir lieben, wen wir hassen, was wir wünschen, was wir denken, wohin wir wollen, was wir planen. Algorithmen verarbeiten sie zu Profilen, der Schatzkiste des Inter-Netzes.

Profile kennen uns besser, als wir selbst uns kennen. Algorithmen aus unseren Daten sagen zutreffend voraus, was wir als nächstes machen werden. Bei Einkäufen ist das schon fast trivial. Wir glauben, wir kaufen, was wir wollen, einfach so. Dabei verhalten wir uns nach genauem „Beuteschema“. Daten verratens.

Daten zum „daten“. Den passenden Partner trifft man leichter im Netz als auf der Straße. Unsere Daten machen uns bekannt. Daten erleichtern die Auswahl, weil sie längst das passende Profil ausgesucht haben. Dating-Plattformen boomen. Einfach weil sie erfolgreich sind. Zumindest kurzfristig.

Das Netz besteht aus einem Geben und Nehmen. Wir geben unsere Daten, wir bekommen Waren, Dienste, Freunde, Partner. Wir geben uns preis. Der Preis sind unsere Daten. Das scheint billig. Darum ist das Internet solch ein Wahnsinns Erfolgsmodell. Geld wird alle, unsere Daten nie. Ein nicht versiegender Schatz.

Was Amazon, Facebook, Google als die Aushängeschilder und Acxiom, Epsilon und Experian als die unbekannten Datenbroker längst wissen und können, kann und tut auch der Staat. Es nützt ihm. Für Geheimdienste sind Daten das gefundene Fressen. Und alles nahezu kostenlos und und überall verfügbar. Nur Speichern und Verarbeiten kostet. Das Anzapfen der Daten ist noch die geringste Arbeit.

Wundern über den BND, GCHQ, NSA, „Five Eyes“, China, Russland usw? Verwunderlich wäre es, wenn sie nichts täten. Geheimdienste und Bürgerrechte haben noch nie recht zusammen gepasst. Ich muss es nicht gut finden. Aber das ist so in der Welt der Macht. Entrüstung ist nur naiv.

Mit den Mitteln wachsen die Möglichkeiten. Gemacht wird, was möglich ist. Grenzen zu setzen ist nötig, kommt aber meist zu spät. Das ist die Sache mit dem Geist aus der Flasche. Dennoch ist jetzt das Recht gefragt.

Gibt es also kein Entrinnen aus dem Fangnetz? Nun, zunächst einmal hole ich mir aus dem Netz Informationen, Dinge die ich lesen, anschauen, wissen will. Andererseits teile ich einiges mit anderen. Ich schreibe und lese Blogs, Tweets, News. Kaufe ein. Hinterlasse Spuren, gebe meine Daten, wahrscheinlich mehr als ich ahne.

Ich schreibe sogar Emails, unverschlüsselt. Die meisten Empfänger kennen keine Verschlüsselung. Also bleibts bei der elektronischen „Postkarte“. Die meisten „Mitteilungen“ im Netz sind auch nicht mehr wert als irgendein Zettel auf irgendeiner Pinwand. Rauschen.

Ich habe nichts zu verbergen? Blödsinn. Natürlich habe ich etwas zu verbergen. Viele Dinge, die ich tue und denke, gehen niemanden etwas an. Das allerdings geht nur außerhalb des Netzes. Das soll nicht öffentlich sein. Das war schon immer so.

Rudolf Epp, Der Liebesbrief
Rudolf Epp, Der Liebesbrief (Wikimedia)

Ein wichtiges Gespräch führt man persönlich, nicht am Telefon (wo man in analogen Zeiten gelegentlich plötzlich in einer fremden Leitung war) und schon gar nicht über das Internet. Wo Firmen dennoch Wichtiges in Online-Konferenzen klären, gibt es hoch abgesicherte Verfahren. Meine „Ich“ – Firma kommt ohne das aus.

Im Zweifelsfalle schreibe ich einen Brief, richtig auf Papier mit der Post. Ist auch nicht sicher, läuft aber wenigstens nicht über Fort Mead oder Palo Alto. Das alte Analoge ist digital schlecht zu handhaben. Kann ein Vorteil sein.

Daten sind die Währung des Netzes. Man kann sie sammeln und auswerten. Das ist wie wenn man einen Schatz hebt. Man kann sich im Netz gut aufgehoben fühlen, mit Freunden, Lesern, Unterhaltung. Man kann sich im Netz verfangen. Man kann sich ihm ausliefern, wenn man zu viel preis gibt. Das aber liegt an einem selber.

Auch wenn es schwer fällt, gelegentlich ohne Netz zu sein. Man kann. Selbst wenn auch das noch der NSA auffällt. Sch..ß drauf.

Im Übrigen: Asyl für Snowden!