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Was bringt mir ’social media‘?

Debatten im Netz zu verfolgen ist zeitaufwändig. Sich bei Themen, die einen interessieren, einzuklinken und mit zu schreiben, ist dann noch zeitaufwändiger. Mir stellt sich die Frage, was es bringt.

Ich beziehe mich auf Twitter und Google+, facebook nutze ich nicht. Darüber hinaus lese ich mehr oder weniger regelmäßig in ausgewählten Blogs mit. Einige wenige Foren gehören auch dazu. Darauf stütze ich meine Eindrücke. Außen vor lasse ich die Online-Ausgaben der Tageszeitungen und News-Portale, denn diese laden überwiegend zum Lesen ein, auch wenn man inzwischen überall die Artikel kommentieren kann; die Moderation mit Zeitverzögerung lässt dort kaum eine Diskussion zu.

Zunächst das Positive: Ich empfinde die bunte und wirklich vielfältige Meinungswelt in den sozialen Netzwerken als sehr anregend. Meine Timeline bei Twitter habe ich so zusammengewürfelt, dass auch sie sehr bunt und vielfältig ist; sie bleibt natürlich dennoch ein subjektiver Ausschnitt mit Beiträgen derer, denen ich folge. Das Beste dort ist tatsächlich die Beschränkung auf 140 Zeichen – und trotzdem gibt es viele muntere Wortwechsel und Diskussionen. Die Hashtags erschließen weitere Themenfelder, die man beliebig „durchklicken“ kann, so dass eine Fülle von Infos, Links, Witzigem, Aphoristischem und Meinungsäußerungen aller Art tagtäglich, stündlich, minütlich abrufbar ist. Schon toll. Das Durchstöbern der Tweets kann ein sehr amüsanter und / oder informationsgeladener Zeitvertreib sein. Und die Zeit – die rennt dabei, besonders wenn man zu diesem oder jenem seinen eigenen Senf beisteuert oder Kontakte zu einigen Twitter-Bekanntschaften pflegt. Wenn ich dann mit bekomme, wie gut der Gedanken- oder Info-Austausch bei gemeinsamen Veranstaltungen, Tagungen, Demos usw. klappt, dann sehe ich die Nützlichkeit und den „Mehrwert“ dieses Mediums sofort. Twitter macht die „Welt“ auf eine ganz neue Weise zugänglich, manchmal verständlicher, manchmal rätselhafter, auf jeden Fall spontaner und offener und kommunikativer als alle Zeitungen mit drögen Leserbriefen und TV mit unendlichen Talkshows mit immer denselben Gesichtern zusammen.

Das gilt nicht in demselben, aber in einem anderen Sinne auch für die junge Plattform Google+. Was ich bisher dort finde, sind eine Menge „Media“, also YouTube – Links, Links zu Artikeln, oft (meist?) netz-thematisch und natürlich Diskussionen. In meinem Ausschnitt von G+ kommen wenig nur persönliche Nachrichten und Fotos vor, wie es wohl bei Facebook überwiegend der Fall ist. Sie können bei G+ in den nicht öffentlichen Kreisen stattfinden. Offenbar wird aber die bequeme Möglichkeit zum Diskutieren reichlich genutzt. Es gibt bisweilen sehr ausführliche Threads, die meist an gut plazierten Meinungs-Aufhängern andocken – da sind stets bestimmte Namen ausschlaggebend, also bestimmte Meinungsführer ganz wie sonst auch. Ich finde also auch hier eine große Vielfalt an Meinungen, Infos, Verknüpfungen zu weiteren Quellen im Netz – vieles hoch Interessante habe ich dadurch schon gefunden, eben auch Blogs und Nachrichtenquellen, auf die ich sonst niemals gestoßen wäre – auch nicht durch Google-Suche oder G-News. Also auch hier bei diesem sich noch aufbauenden „sozialen Medium“ sehe ich klar den „Mehrwert“ von Info, Meinungsvielfalt, Diskussion auf zwanglose, offene und bidirektionale Weise: Ich kann mich überall beteiligen, wann immer ich möchte. Und natürlich: Mein Foto-Hobby kann auf Plattformen wie G+ bestens zum Zuge kommen, wenn da auch eigenständige Foto-Communities  und Foren bislang ergiebiger sind.

Das ist dann auch schon das Problem, und ich komme damit zu den aus meiner Sicht negativen Seiten: Die Fülle der Informationen, die Vielfalt der Meinungen, die Verschiedenheit der Beiträge sind schon recht üppig – nein, nicht verwirrend, sondern ich meine einfach nur breit, uferlos, endlos. Sehr oft fehlt gerade in den Diskussionen der ‚rote Faden‘ – man springt von Hölzchen zu Stöckchen und ist nach 10 Kommentaren ganz woanders. Die Geschwindigkeit der Reaktionen – wirklich fast instant – macht eine ruhige Diskussion nahezu unmöglich; so ist mancher lange Diskussionsstrang im Grunde schon nach einigen -zig Minuten vorbei. Das erinnert mich bisweilen an einen Stammtisch, wenn alle durcheinander reden. Sich später noch einmal mit einem eigenen Beitrag zu Worte zu melden, macht dann wenig Sinn. Tiefschürfendes ist also kaum zu erwarten.

Typisch für den Verlauf einer solchen Diskussion ist diese hier gestern zum Thema Facebook und Datenschutz, – und sie ist noch eines der positiven Beispiele. +Christoph Kappes gehört ohnehin zu denjenigen, die für eine interessante, themenorientierte und anspruchsvolle Diskussion sorgen; seine Beiträge sind meist lesenswert weil überlegt argumentierend und mit Sachkenntnis fundiert. In dem genannten Beispiel sind viele der 46 Kommentare recht spontan und wenig überlegt, sachlich mehr oder weniger treffend oder sich einfach nur emotional äußernd. Dank der wiederholten Zwischenbeiträge versucht der Autor der auslösenden Mitteilung zumindest, das eigentliche Thema (Facebook, Datenschutz und Selbstverständnis der jungen Generation) nicht aus den Augen zu verlieren; Kappes möchte dabei nicht einen fruchtlosen Streit um Prinzipien führen, sondern möglichst undogmatisch einen unverstellten Blick auf das Phänomen „Facebook und wie Jugend damit umgeht“ gewinnen. Dazu aber trägt der Verlauf der Diskussion nur sehr begrenzt bei. Sein – mehr oder weniger – Schlusswort passt auch auf die dokumentierte Diskussion:  „Die Diskussion hat seit Jahren eine unwirkliche Seite, so wie die Diskussionen um Webcontrolling. Talmudsche Diskussionen. Aber ich wiederhole mich wohl.“ 

Das Beispiel zeigt für mich Vorteile und vor allem Schwächen der G+ – Diskussionen: viel Spontaneität, aber im Endeffekt bringen sie wenig, wenig Erkenntnisgewinn, wenig Gedankenfortschritt, wenig wirkliche Argumentation. Nun, das darf man von SocMed vielleicht auch nicht erwarten. Dann frage ich mich aber, was mir die vielen langen und wenig ergiebigen Diskussionen überhaupt bringen. Der Zeitaufwand dafür ist mir eigentlich zu groß.

Und das gilt aus meiner Sicht für Vieles in den bunten Facetten der Netz-Kommunikation. Eine neue Welt kann ich darin noch nicht entdecken, eher die alte mit allen Fragen, Meinungen und Problemen – spontan und munter flüssig ’streamend‘ dargeboten. Wie viel Zeit ich dafür aufwenden will, ist dann meine eigene Entscheidung. Jedenfalls kann es auch mal weniger sein. Es gilt da für mich Ähnliches wie vor 50 Jahren für das Fernsehen: Erst war man begeistert von all den bunten Bildern aus der weiten Welt – und inzwischen wählt man doch sehr genau aus, was man sich da ansehen will. Es ist nicht so viel. Ich könnte drauf verzichten, auf das Internet aber nicht mehr. Andererseits ist aber auch dieses richtig: Auch „das Netz“ bietet letztlich nicht so grundsätzlich Neues, wie seine Jünger geneigt sind zu behaupten. Es sind oft Netz-Berufliche, die die Welt durch ihre Brille sehen. Oder es sind einfach junge Menschen, für die Smartphone und Facebook absolut normal sind – und die sich nie davon abhalten lassen würden, zu einer tollen Party in real life zu gehen oder ein echtes Abenteuer irl zu bestehen – klar, verabredet und organisiert über Tweets und facebook! Gut so. Und ich werde von der Vielfalt und den guten Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten des Internets nicht ablassen (wie sagt man so schön: ‚early adopter‘ oder: ich bin von Anfang an dabei gewesen) – und mich nicht davon abhalten lassen, mich öfter mal aus dem Kommunikationsstrom auszuklinken, ein gutes Buch zu lesen – und nachzudenken.