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Russland darf wählen

Die neuen Zaren unter Druck

Die heutigen Parlamentswahlen in Russland sollen nach Absicht des Herrscher-Duos reine Akklamationswahlen sein. Offenbar wurden vom Kreml auch alle Anstrengungen unternommen, die Opposition zu behindern, unabhängige Presse und Web-TVs zu behindern (heute Morgen seien verschiedenen Oppositions-Websites nicht erreichbar, wird gemeldet) und eine unabhängige Wahlbeobachtung einzuschüchtern oder ganz zu unterbinden. Die Provinzgouverneure haben klare Vorgaben, was sie zu ‘liefern’ haben: über 60 % für „Einiges Russland“. Das sieht nicht gut aus. Die geplante Rochade der neuen Zarenzwillinge Putin – Medwedjew soll wohl einfach durchgesetzt werden – lupenreine Machtpolitik.  Jedenfalls ist es heute die Generalprobe für die Präsidentenwahlen im nächsten Jahr. Einfach würdelos und allzu offensichtlich, wenn solches in Russland nicht Tradition hätte.

Allerdings scheint sich dieses Mal doch mehr Widerspruch zu regen als vom Kreml-Duo erwartet und erwünscht. Medwedjew wirkte bei seinem letzten TV-Auftritt am 4. 12. doch bedrohlich offensiv, als würde man sich schon mit dem Rücken an der Wand sehen. Doch so weit ist wohl noch lange nicht, auch wenn der jüngste Artikel der WELT Anlass zur Hoffnung gibt, dass sich viele Bürger und gesellschaftliche Gruppen nun doch nicht mehr so leicht einschüchtern lassen: Das Machtmonopol der Putin-Clique tritt allzu ungeniert auf. Möge die Einschätzung Recht haben:

 In einigen Regionen, etwa im Ural, liegen die Umfragewerte nur noch bei 25 bis 30 Prozent. Früher wurden die Menschen unterdrückt, und sie beugten sich. Heute werden sie zornig. Viele Lehrer in der Provinz nehmen Erklärungen auf, in denen sie es ablehnen, für den Sieg der Partei zu arbeiten. „In einer Reihe von Regionen wird Einiges Russland ganz bestimmt unangenehme Überraschungen erleben“, bestätigt Alexander Kynew, Leiter der Regionalprogramme der Stiftung für Informationspolitik.

Aber selbst wenn es für Putin – Medwedjew einen Dämpfer gibt und sich trotz aller Manipulationen ein schlechteres Abschneiden von „Einiges Russland“ nicht verhindern lässt, was ist darauf als Reaktion zu erwarten oder zu befürchten? Wohl verstärkte Repression. Jedenfalls ist es das in solchen Fällen zaristisch-sowjetisch bewährte Mittel der russischen Politik. Die neuen Oligarchen-Zaren haben ihre Masken schon recht weit fallen lassen, die Fratze verstärkter Gewalt der Staatsmacht im Innern wird wohl nicht lange auf sich warten lassen. Solange nur kein Ventil einer Gewalt nach Außen gesucht wird…