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>300 000 000 000

>Man muss genau aufpassen und nachzählen. Zuerst die Nullen, dass man nicht zu viele, aber auch nicht zu wenige an die 3 hängt. Nur sehr geübte Finanzjongleure werden auf einen Blick im Sekundenbruchteil erfassen können, dass diese Zahl 300 Milliarden bedeutet. Alle anderen werden kurz nachdenken und eben nachzählen müssen. Vorstellen aber, vorstellen kann sich diese Zahl kaum jemand, egal in welchen Einheiten man denkt: Knöpfe, Äpfel, Euro…

Dabei ist es eine wirklich wichtige Summe, die wir da in der vergangenen Woche zu hören und zu lesen bekamen. So groß wird nämlich die Schuldenaufnahme des Bundes in den nächsten 4 Jahren, sprich der nächsten Legislaturperiode sein. Im Grunde ist die Zahl noch höher anzusetzen, aber der Finanzminister meinte die Neuverschuldung durch „globale Minderausgaben“ (kein Mensch weiß je, was das konkret ist) auf eben diese 300 Milliarden begrenzen (!) zu können. Im laufenden Jahr wird die Nettokreditaufnahme, d.h. die Höhe der neuen Schulden, die der Staat macht, auf über 80 Milliarden Euro steigen, aber noch ist das Jahr nicht zu Ende. Im nächsten Jahr werden jetzt schon mehr als 100 Milliarden neue Schulden eingeplant – wenn das dann angesichts sinkender Steuereinnahmen noch reicht.

Was sagt man dazu? Der Finanzminister („Herr der Löcher“) stellte im Mai lapidar fest, es mache die „schwerste Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik … eine nochmalige Erhöhung der Nettokreditaufnahme unvermeidlich“. Vergangenen Freitag beschloss das Parlament eine Steuerentlastung ab 2010 in Höhe von ca. 15 Milliarden Euro. Den Rentnern (ihnen sei’s gegönnt) wird die Höhe der Renten ohne Abschläge auf alle Zukunft hin garantiert – ein Blankoscheck, dessen Ausmaß kaum abgeschätzt werden kann. Dies war in den Nachrichten am Samstag aber nicht die Top-Meldung, sondern der Streit der Formel-1-Milliardäre. Auch Lukas Podolskis Ankunft in Köln war in den TV-Nachrichten des ÖRRF (Öffentlich-rechtliche Rundfunk und Fernsehen) allemal von größerem Interesse als Hintergrundinformationen zu den Bundestagsbeschlüssen. Die vielen Nullen interessieren eben nicht so sehr.

So viel Volksverdummung wie in diesen Wochen vor der Wahl hat es schon lange nicht mehr gegeben. Denn natürlich wird irgend jemand diese riesigen offenen Rechnungen einmal bezahlen müssen – wer anders als „das Volk“? Doch dieses hat sich, was Wunder, gelangweilt, verdrossen und mit staunendem Kopfschütteln von der Politik abgewandt, siehe die Wahlbeteiligung bei den Europawahlen. Es betrifft uns zwar alle, aber wir können nichts ändern. Da ändert auch die Politik-Show „Ich kann Kanzler“ mit dem Senkrechtstarter Jakob Schrot nichts dran. Nicht nur und nicht erst im Iran stimmt etwas nicht mit der Demokratie.