Die römisch-katholische Kirche scheint krank zu sein, und Mittel zur Heilung liegen so nahe: Zölibat aufgeben, Frauen zum Priesteramt zulassen, Synoden und Entscheidungsprozesse demokratisieren. Hört man hierzulande auf Stimmen von „Maria 2.0“ und aus dem „Synodalen Weg“, könnte man an einen baldigen Erfolg glauben. Es wird wohl kaum so kommen. Das zeigen nicht nur Intransparenz und Verhärtung, was die Aufklärung über Missbrauch und sexuelle Gewalt betrifft (Stichwort „Woelki“), sondern auch jüngste Kommentare wie die eines Kirchenrechtlers in den Medien: „Es hängt alles am Papst.“
Katholische Kirche ist Papstkirche – und sie ich Weltkirche. Spätestens seit der Reformation hat sich die katholische Kirche als auf dem absoluten Anspruch des Papsttums als „römisch“ definiert und verfasst (Unfehlbarkeit 1870). Die absolutistisch-monarchische Verfassung ist gewollt und gehört zum theologischen Bekenntnis. Den Papst auch nur zu relativieren zum Beispiel durch Umwandlung in ein rein repräsentatives, symbolisches Amt, hieße, den römischen Katholizismus in der Wurzel anzugreifen. Das wird nicht geschehen. Zudem hat die römish-katholische Kirche als christliche Weltkirche die unterschiedlichsten Strömungen aus Südamerika, Asien und Afrika zu integrieren, und die sind im Unterschied zu manchen kirchlichen Strömungen der westlich-europäischen Aufklärung eher konservativ und traditionsverhaftet – es ist die Mehrheit.
Als evangelischer, „protestantischer“ Christ könnte ich mich bequem zurücklehnen und selbstgewiss verkünden: „Das haben wir ja schon immer gesagt.“ Das ist so falsch, dass nicht einmal das Gegenteil stimmt. Der westlich-europäische Protestantismus krankt an einer Auszehrung und sklerotischen Verharrung, die dem europäischen Katholizismus durchaus vergleichbar ist. Die reformatorischen, lutherischen Kirchen weltweit werden ebenfalls schon längst nicht mehr von Europa dominiert, zumindest nicht theologisch und geistlich, sondern von den „jungen“, sehr konservativen evangelikalen Kirchen in Nord- und Südamerika, Afrika und Asien (Korea). Evangelisch – Katholisch – die Bilder ähneln sich.
Ich wünschte mir, es gäbe auch im Christentum ähnlich wie im Judentum und im Islam eine liberale Richtung, jenseits von evangelisch – katholisch, – also liberale, moderne und junge Gemeinden, die sich unabhängig von ihren ursprünglichen Kirchen etablieren, nicht in Gegnerschaft, sondern (soweit möglich) „innerhalb“ und „außerdem“. Ich weiß, dass es da jenseits des alten und im Grunde überholten Konfessionalismus große Gemeinsamkeiten, Bedürfnissse und Ideen*) gibt. Ansätze dafür gab es vor Jahren bei den Kirchentagen, aber das waren und sind nur einzelne Events. Es gäbe vielleicht eine Chance für christlich-liberale Gemeinden, vermutlich zuerst in den Großstädten? Ist die Zeit dafür reif?
*) Einige liberale Ideen finden sich hier, allerdings sehr intellektuell orientiert. – Siehe auch die innerkirchliche Diskussion bei Chrismon.
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