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Herausforderungen und Kosten

Heute am 1. November schreibt Christoph von Marschall im Tagesspiegel zum Ergebnis des G20-Treffens in Rom:

… die Einführung einer globalen Mindeststeuer; sie soll 2023 verbindlich werden. Das ist gut. Sie war aber nicht wichtiger als die drei anderen Herausforderungen. Wie befreit sich die Weltwirtschaft aus der Corona-Rezession, wie erreichen ärmere Länder Impfquoten über 65 Prozent, und wie kommt der Globus dem Ziel näher, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen?

https://www.tagesspiegel.de/politik/nach-g20-gehts-weiter-zum-klimagipfel-die-krisenloeser-reisen-mit-leeren-haenden-nach-glasgow/27756002.html

Es fehlen noch einige ebenso wichtige Herausforderungen, die nur scheinbar weniger aktuell sind:

  • Wie begegnen Länder in den Wohlstandszonen der weltweiten Migration?
  • Wie gehen wir mit dem weiteren Wachstum der Weltbevölkerung um?
  • Wie soll die Alterssicherung bei uns gewährleistet werden (Renten)?
  • Wie können Wachstum und Wohlstand auch zukünftig gesichert werden?
  • Wie kann weltweit die Schere zwischen Arm und Reich verringert werden?

An den letzten Punkt schließt der erstgenannte unmittelbar als Begründung an. Es hängt eben tatsächlich immer ‚alles mit allem‘ zusammen. Nur Populisten und Autokraten mögen es einfach, sie lösen allerdings auch keine Probleme, im Gegenteil: Sie sind das Problem. Für all diese Herausforderungen gilt erst recht, was von Marschall im Blick auf das G20-Treffen resümiert:

Gemeinsame Strategien sind nur möglich, wenn alle Beteiligten ein ähnliches Bild von den drängendsten Problemen und den Lösungsmöglichkeiten haben. Und wenn sie sich vom Mittun mehr Nutzen als Kosten versprechen. Diese Übereinstimmung fehlt bei den drei Großthemen … erschweren autoritäre Figuren weiter die G20-Arbeit

Dass nicht nur (Bürger-) Kriege, sondern gerade auch fehlende Aussichten auf Bildung und Arbeit (und Freiheitsrechte) Menschen aus ihrer hoffnungslosen Lage in vielen Ländern forttreiben, dass diese Lage angesichts einer wachsenden jungen Generation, die weltweit informiert und vernetzt ist, immer brisanter wird, liegt auf der Hand. Aber auch das beinahe geflügelte Lösungswort von der „grünen Industrie“ und einer gelingenden CO2-Transformation spiegelt mehr Wunschdenken als Realität wider. Was daraus wird, wissen wir schlicht nicht. Klimaprognosen sind einigermaßen verlässlich, weil die Systeme immer besser verstanden und modelliert werden. Aber Wirtschafts- und Wohlstandsprognosen sind doch fast immer unsicher und von Wunschdenken geprägt. Es kann auch ganz anders kommen.

Collage; Fotos von © Unicef und © Global Foundries

Es wird der jungen Generation, die bei uns nach Wähleranteilen zur Hälfte jeweils liberal oder grün (Bundestagswahl 21) orientiert ist, nichts nützen, wenn zwar das deutsche oder europäische Emissionsziel erreicht wird, die Wirtschaft aber den Klimaschock so oder so nur mit erheblichen Beeinträchtigungen und Wettbewerbsverlusten überlebt. Wohlstandsverluste werden die Folge sein, und das meint nicht nur den vielleicht verzichtbaren Flug nach Malle oder Maledi. Was durch die Klimaerwärmung auf uns zukommt, wird zu Recht eindrücklich geschildert und verbreitet. Was aber die Kosten der hoffentlich gelingenden wirtschaftlichen Transformation sein werden, weiß niemand und mag sich auch niemand ausmalen. Drum wird wenig darüber geredet.

Schon jetzt wird deutlich, dass unsere Energie erheblich mehr kosten wird, bedingt durch Knappheit und CO2-Zertifikate. Die jetzige Teuerung ist nur ein Vorgeschmack. Hinzu kommt der Mangel an bezahlbarem Wohnraum – mit vielfältigen Ursachen. Insgesamt dürften sich die Lebenshaltungskosten in den nächsten Jahren drastisch erhöhen. Wer soll das bezahlen, – wer soll sich das leisten können? Es geht dabei nicht nur um „Arme“, also Niedriglöhner und bisher schon auf staatliche Unterstützung Angewiesene. Bis weit in die Mittelschichten hinein werden der Kostendruck und damit die Wohlstandsverluste spürbar werden.

Ob das exportorientierte Industrieland Deutschland seine Position unter den neuen Bedingen wird halten können, ist nicht ausgemacht. Jedenfalls lassen sich weder die breite Grundlage in der Autoindistrie noch in der energieintensiven Metallindustrie so einfach ersetzen. „Transformation“ klingt harmlos, positiv, aber gemeint ist ein Experiment am Wirtschaftskörper mit ungewissem Ausgang. Eine echte Wahl besteht allerdings nicht. Wir müssen hierzulande und in Europa alles tun, um die Grundlagen der Industrialisierung, von Wirtschaft, Arbeit und Wohlstand zu erhalten und über die großen Veränderungen hinweg positiv zu gestalten. Natürlich sind da auch riesengroße Chancen, aber eben nicht ohne Kosten und Risiko. Technikfeindlichkeit und eine Anti-Growth-Haltung werden uns da freilich kaum helfen, eher Tatkraft, Ideenreichtum und wirtschaftlich-technische Innovationen. Auch dabei geht es eminent um die Zukunftschancen der künftigen Generationen!

Das 1,5-Grad-Ziel kann nach Ansicht von Experten nur erreicht werden, wenn die weltweiten Emissionen bis zum Ende dieses Jahrzehnts halbiert werden und spätestens 2050 Klimaneutralität erreicht wird

https://www.tagesspiegel.de/politik/merkel-spricht-zwei-mal-bei-cop26-die-welt-verhandelt-in-glasgow-ueber-mehr-klimaschutz/27756504.html

Die Wenn-Bedingung ist nach aller realistischen Einschätzung unerreichbar. Die CO2-Emissionen werden sich aller Voraussicht nach bis Mitte des Jahrtausends noch erhöhen, – und dafür werden nicht nur Russland und China verantwortlich sein. Wir tun also gut daran, uns auf die massiven Veränderungen im Klima und bei Wetterereignissen einzustellen. Auch dafür wird es noch unbekannte Kosten geben. Fehlende Vorsorge wird extra teuer, wie die jüngste Flutkatastrophe in der Eifel gezeigt hat – und wie alle Katastrophen durch Wirbelstürme, Fluten, Dürren und Brände weltweit immer aufs Neue zeigen. Die Kosten sind so oder so aufzubringen.

Sehen wir zu, dass wir es bei uns schaffen, die Kosten durch neue Chancen in Bildungsoffensiven und Technologieführerschaften wieder einzubringen. Digitalisierung ist dafür eine wesentliche Voraussetzung. Auch das, gerade das sichert die Zukunft der jungen Generation. Und da haben wir noch großen Nachholbedarf – viel Luft nach oben. Die Rückkehr zum „einfachen Leben“ ist idealisierte Romantik und keine Alternative. Armut trifft immer die Schwachen zuerst und am härtesten. Erzwungener Verzicht endet dann da, wo Millionen schon heute leben: in Armut, Elend und Kloake. Sie wollen da nichts wie raus!


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