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>Unfähig zu erziehen

>Ein Artikel in der FAZ aus der letzten Woche hat mich doch betroffen gemacht. Er berichtet von der „Gewalt im öffentlichen Raum„, die schon so alltäglich geworden ist, dass kaum mehr darüber berichtet wird. Wenn möglich, weicht man ihr aus, und so werden U- oder S-Bahnhöfe und manche Plätze und Straßen in den Großstädten zu No-Go-Areas: zu Gebieten, wo das Gesetz nicht gilt, nicht durchgesetzt wird. Das wäre eine eigene Betrachtung wert. Der massive Abbau von Polizeidienststellen und auch nachts besetzten Polizeiwachen macht sich hier natürlich auch bemerkbar. Wenn der Gesetzeshüter weicht, übernimmt das Gesetz des Stärkeren oder die blanke Lust an der Gewalt.

Eben dies lässt mich erschrecken: dass es mehr und mehr auffällige Jugendliche sind, die Lust an der Gewalt haben und keine Grenze mehr kennen, bei sich selber nicht, gegenüber Mitmenschen nicht, dass so oft und so viele Jugendliche und junge Erwachsene am Rande der Gesellschaft, wie es so schön heißt, gibt, die keine Maßstäbe haben für gut und böse, Recht und Unrecht, sondern nur noch sich selbst und ihr eigenes Recht des Stärkeren zu kennen meinen. Diese Jugendlichen wurden nicht erzogen; Erziehung hat hier offenbar überhaupt nicht statt gefunden.

Wir sehen heute die Folgen davon, dass Erwachsene, Eltern, keinen Mut, keine Fähigkeit oder auch einfach keine Lust zur Erziehung ihrer Kinder hatten. Nach Jahren der Delegitimierung der „elterlichen Gewalt“ und Verantwortung, nach einer epochalen Verirrung in die Allzuständigkeit des Staates, der öffentlichen Bildungssysteme, nach einer andauernden Missachtung und Herabsetzung von Familie (Hausarbeit als Firlefanz, nur Erwerbstätigkeit zählt) und Häuslichkeit, nach einer ideologisch betriebenen Destruktion von Autorität, ob als Lehrer, Erzieher oder Polizist, sehen wir heute die Folgen dieses gesellschaftlichen Wandels. Ich möchte damit nicht sagen, dass die „68er-Ideologie“ (denn eben diese ist gemeint) allein für alle Missstände in der heutigen Gesellschaft verantwortlichist, aber eben doch für einige, vor allem im Bereich von Erziehung und Bildung, und in einem nicht unerheblichem Ausmaß. Korrekturen anzubringen wird schwer, ein Umsteuern in der Gesellschaft zur Stärkung der Familien, auch der Arbeit in der Familie, wird wiederum mindestens eine Generation dauern. Eltern müssen lernen und befähigt werden, dass die Erziehung und Bildung ihrer Kinder ihre Pflicht, ihre größte Aufgabe und ihre schönste Perspektive ist. „Mut zur Erziehung“ ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass sich in der Gesellschaft etwas ändern kann, dass eine wirklich zivilisierte Gesellschaft entstehen und Menschen mit Zivilcourage aufwachsen können. Mut zur Erziehung, ok, aber Erziehung woraufhin? Zur Mündigkeit, Selbstbestimmtheit und Verantwortung gehören eben auch Werte und Normen, Verhaltensregeln und soziale Fähigkeiten, die schon als Kleinkind gelernt, die dem Kleinkind vorgelebt werden müssen. Die Schule kommt da altersmäßig schon viel zu spät, wie wir aus der Entwicklungspsychologie wissen. Eltern sind gefragt, und Eltern sind unvertretbar. Verantwortungsvolle und mutige Eltern, die fördern und fordern, die Grenzen setzen und Konflikte mit ihren Kindern aushalten und durchstehen (denn das gehört auch dazu) und in allem die Kinder ihre Liebe und Fürsorge spüren lassen, gerade auch durch die Zeit, die sie für ihre Kinder haben, solche bewussten Eltern werden auf die Dauer mehr zum Positiven verändern als alle möglichen Regierungsmaßnahmen. Der Gesetzgeber kann aber eines sicher tun: Eltern und Erzieher / Lehrer in ihrer unvertretbar wichtigen Funktion stärken und fördern, ihre Autorität unterstützen und das Umfeld auch finanziell oder steuerlich bereiten, in dem Familien sich entfalten können. Da gibt es wahrlich noch viel zu tun!