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Radio Sprache

>Vielleicht, bitte!

>Mit der Sprache ist es manchmal eine merkwürdige Sache. Da hört man im Radio x-mal Formulierungen, die einem immer wieder und immer mehr gegen den Strich gehen. Sie verletzen mein Sprachgefühl oder sind einfach unsinnig im wahrsten Sinne des Wortes: ohne Sinn.

Zwei Beobachtungen möchte ich beschreiben am Beispiele eines Moderators im Bayerischen Rundfunk, Thorsten Otto, dessen Sendung „Mensch, Otto“ mit jeweils einem interessanten Gesprächspartner ich ansonsten gerne höre. Ich schildere hier nur Beispiele, die ich so oder ähnlich auch von anderen Moderatoren und in anderen Sendern gehört habe; sie sind also nicht untypisch.

Verkehrsmeldungen und Warnungen werden neuerdings gerne abgeschlossen mit der Formulierung: „Fahren Sie bitte vorsichtig!“ Bitte, das klingt sehr höflich und verbindlich. Aber welch ein Unsinn liegt in diesen „Bitten“! Wenn meine Frau oder meine Kinder mir sagen: „Fahr bitte vorsichtig!“, dann ist das eine wirkliche Bitte des Inhaltes, ich solle doch an sie, meine Familie, denken, wenn sie mich bittet, vorsichtig, vielleicht sogar besonders vorsichtig zu fahren. Die Bitte zielt auf die Verantwortung und auch Liebe, die innerhalb der Familie herrscht. Hier ist diese Bitte sinnvoll. Ganz anders bei dem Radiomoderator: Warum bittet er mich vorsichtig zu fahren? Um seinetwillen? um meinetwillen? Das kann doch wohl kaum sein. Wenn ich frustriert bin und deswegen etwas aggressiver fahre, so wird mich sein „bitte“ davon bestimmt nicht abhalten, wohl aber die Erinnerung an meine Familie. Was soll also sein „bitte“ an dieser Stelle? Ist es nur ein leeres, eigentlich völlig unverbindliches, nur verbindlich klingendes Füllwort?

Noch heftiger geht mir die Formulierung gegen den Strich, wenn der Moderator dann noch fortfährt (und Thorsten Otto liebt diese Formulierung): „Und kommen Sie bitte gut heim.“ Wer ist er denn, dass er mich so etwas bitten könnte? Es klingt anbiedernd, einschmeichelnd, deplaziert. Er meint auch gar keine Bitte, sondern äußerst einen Wunsch, ich möchte doch gut heim kommen, – ein kleiner, aber feiner Unterschied. Das ist freundlich, gut gemeint und gut gesagt. Aber dann soll er es doch auch so formulieren: „Und kommen Sie gut heim.“ Ein „bitte“ ist da schlicht fehl am Platz.

Vielleicht ist diese sprachliche Wendung, die man wie gesagt bei vielen Sendern hören kann, nur ein Zeichen für eine nur scheinbare Verbindlichkeit des eigentlich Unverbindlichen. Nüchterne Nachrichten werden aber durch solchen Anschein nicht besser, im Gegenteil. Die Flucht ins unverbindlich Verbindliche wird noch deutlicher an folgender Formulierung. Hier beziehe ich mich nun ausdrücklich auf Thorsten Otto in seiner Sendung „Mensch, Otto“. Wenn er einen Gesprächspartner seiner Sendung vorstellt, ist es üblich, dass der Gast selber einen kurzen Lebenslauf vorliest, den der Moderator verfasst hat. Thorsten Otto moderiert diesen Lebenslauf täglich mit fast derselben Formulierung an: „Ich habe einen Lebenslauf von Ihnen geschrieben mit ein paar Tatsachen und ein paar Zitaten, vielleicht auch mit einigen Vermutungen von mir – bitte: Das ist mein Leben.“ Es geht um das „Vielleicht“. Warum sind das nur „vielleicht“ Vermutungen, die Herr Otto da zusammen getragen hat? Oder meint er vielmehr, neben den Tatsachen des vorgestellten Lebenslaufes und einigen Zitaten über den oder von dem Gast gebe es in diesem Lebenslauf auch einiges, was nur Vermutungen des Moderators seien. Dann bezieht sich das „Vielleicht“ auf Dinge, die vielleicht den Tatsachen entsprechen, vielleicht auch nicht. Darum nennt Thorsten Otto sie auch zu Recht „Vermutungen von mir“, über die dann eben auch korrigierend gesprochen werden könne. Aber was bedeutet es, wenn Otto nun auch noch seine Vermutungen mit einem „vielleicht“ einschränkt oder noch unschärfer machen will? Sind es nun Vermutungen oder nicht, sind es etwa reine Unterstellungen, böswillige gar? Natürlich meint das Herr Otto nicht so, vielmehr soll die Charakterisierung seiner Vermutung mit „vielleicht“ den Eindruck von Unverbindlichkeit und Unschärfe erwecken, wo die Fakten und Fragen doch oft sehr direkt und persönlich sind. Das deplazierte „Vielleicht“ könnte also ein „Ich hab’s nicht so gemeint“ vorwegnehmen. Trotzdem bleibt dies Wörtchen an dieser Stelle unsinnig. Noch viel unsinniger wird es allerdings, wenn Herr Otto formuliert (und so kam es in den letzten Wochen wiederholt vor):“… vielleicht mit ein paar Tatsachen und Zitaten, vielleicht auch mit ein paar Vermutungen von mir…“ Nun sind es auch flugs keine Tatsachen mehr, sondern nur noch „vielleicht“ Tatsachen; sind auch die Zitate nur noch vielleicht Zitate?

Es zeigt sich, dass hier das Wörtchen „vielleicht“ gar nicht das ausdrücken soll, was es bezeichnet, sondern mehr als eine mentale Vorsichtsmaßnahme gedacht ist, ein letzter Vorbehalt eben, dass im Streitfall alles gar nicht so ernst gemeint gewesen sei. Ebenso hat ja auch das freundliche „bitte“ nicht mehr das ausgesagt, was wirklich eine Bitte ist, sondern wurde und wird zu einer Floskel unverbindlicher, scheinbarer Verbindlichkeit.


Wusste und meinte ER, was er sagte?

In jedem Falle zeigt Sprache etwas an. Manche Formulierung zeigt eben weniger das an, was sie vom Wort- und Satzsinn her aussagt, als vielmehr die Befindlichkeit des Sprechers, hier des Radiomoderators. „Vielleicht“ wäre am Beispiel von Thorsten Otto mehr Klarheit und Einfachheit in der Sprache wünschenswert!