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Industrie – Kultur

Die Industriegesellschaft gibt es seit gut 200 Jahren. Sie geht zurück auf die Industrielle Revolution, deren Anfänge im ausgehenden 18. Jahrhundert liegen. Sie ist geprägt durch technische Entwicklungen wie der Dampfmaschine (James Watt) und des Elektromagnetismus (Maxwell, Faraday) und deren breite Anwendung in Fabriken, Verkehr und Kommunikation. Die Gewinnung und großtechnische Ausbeutung von Kohle und Erzen, die technologische Anwendung chemischer Prozesse sowie die industrielle Eisen- und Stahlerzeugung zusammen mit elektrischer Kraft, Lichterzeugung und Telegraphie veränderten die Gesellschaften weltweit, besonders aber in Europa. Die Auswirkungen im sozialen, politischen und kulturellen Bereich sind außerordentlich weitreichend und der Natur der Sache entsprechend kontrovers beschrieben worden. Eine Übersicht verschafft der Wikipedia- Artikel über die Industrielle Revolution.

Sicher ist, dass der heutige relative Wohlstand in den westlichen Industriegesellschaften ganz wesentlich den technischen Revolutionen und ihrer massenhaften industriellen Verbreitung zu verdanken ist, ebenso wie die massiven Auswirkungen von Imperialismus und Kolonialismus nur im Zusammenhang mit industriellen Innovationen verstanden werden können.

Ebenso sicher ist aber auch, dass die Ausbeutung der Natur, der Bodenschätze und der Lebewesen ein Ausmaß erreicht hat, dass die Grenzen der Belastbarkeit des Planeten Erde erreicht und zum Teil überschritten sind. Die jüngst veröffentlichten Ergebnisse einer internationalen Wissenschaftsgemeinschaft in Science Advances unter dem Titel „Earth beyond six of nine planetary boundaries“ zeigt an, dass die ungebremste und unkontrollierte Ausbeutung der Ressourcen der Erde die Grundlagen des Lebens überhaupt bedroht. Die Veränderung des Klimas ist nur eine der Grenzüberschreitungen zusammen mit der Gefährdung von Atmosphäre, Wasser (ozeanisch, süß), Biosphäre (Artenvielfalt), Eintrag von Fremdstoffen (Plastik) und anderem. Es scheint sicher: Die Industriegesellschaft, wie wir sie bisher kennen, gerät an ihr Ende.

Die Ambivalenz industrieller Produktion und ihrer gesellschaftlichen Veränderungen, sozialen und machtpolitischen Auswirkungen ist natürlich schon lange bekannt. Inzwischen kann das aber nicht mehr nur Gegenstand akademischer Bewertungen und politischer Auseinandersetzungen sein, sondern die globalen Folgen und das Erreichen der Grenzen der Belastbarkeit der ökologischen (und ökonomischen) Systeme zwingen zu einer Änderung. Veränderung kommt so oder so, entweder chaotisch oder gesteuert, mit mehr oder weniger hohen Kosten, für mehr oder weniger Menschen katastrophal. Die industrielle Zivilisation hatte für eine globale Minderheit einen unglaublichen Nutzen, Wohlstand und Reichtum erbracht. Er war geborgt, gepumpt, und nun wird die Rechnung präsentiert. Wir Menschen in den westlichen hochentwickelten Ländern wollen natürlich beides: Bewahrung der Lebensgrundlagen und Bewahrung unseres Wohlstands und Lebensstils Es ist kaum mehr fraglich, dass beide Ziele zusammen nicht in gleicher Weise erreichbar sind.

Auf der privaten Webseite industriedenkmal.de wird betont, man wolle „nichts verherrlichen, aber doch ein wenig melancholisch sein und erinnern“ an eine Welt und Kultur, die im Verschwinden sei. Man zeige den Fortschritt von gestern. Das sei wichtig, „denn man könnte im 21. Jahrhundert dem Irrtum erliegen, die Industrialisierung sei angesichts von Klimafragen von Anfang bis Ende nur eine einzige Klimasünde gewesen.“ Es gehe nun darum besser zu verstehen, was damals war, und die Industriegeschichte mit Wohlstand und Fortschritt als „die Basis für viele Lösungen im neuen Jahrtausend“ zu sehen.

Genau eine solche konservativ ausgerichtete Pflege der Nostalgie ist nicht mehr zu rechtfertigen. Dass die Industrialisierung eine folgenreiche „Klimasünde“ ist, dürfte nicht mehr zu bezweifeln sein. Ob sie vermeidbar war und wer profitierte, ist die eine Frage, eine andere, welche Lehren gesellschaftlich aus dieser katastrophal verlaufenen „Fortschritts“- Geschichte und aus den in ihr enthaltenen technischen und kulturellen Potentialen für die Zukunft zu ziehen sind. Es ist eigentlich nicht verständlich, dass sich zum Beispiel unter all den lehrreichen Hinweisen auf die Geschichte und das Funktionieren eines Hüttenwerks im Landschaftspark Duisburg Nord nirgendwo auch nur ein Hinweis auf die problematische Kette der Ursachen zu finden ist, die von solchen Industrieanlagen zur gegenwärtigen Lage von Klima und Umwelt geführt haben. Nostalgie sollte hier keine Entschuldigung sein. Das wäre eine unzulängliche und darum falsch verstandene Pflege der „Industriekultur“. Auch in einer Freizeitanlage mit ihren oft jungen Besuchern sollte die Gelegenheit genutzt werden, zum Nachdenken und zur Auseinandersetzung mit dem Zusammenhang von Industrialisierung, Kultur und der dramatischen Verletzung der planetarischen Grenzen anzuregen und dazu einzuladen.

Unbeschadet davon bleibt natürlich die innerstädtische Funktion eines solchen Landschaftsparks als regionaler offener Freizeitpark und attraktive Location für kulturelle Veranstaltungen in Duisburg und Rhein-Ruhr [-> Fotos].

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