Ein Zwischenruf – aktualisiert
Bei einer Rede an einer amerikanischen Universität hat sich Vizekanzler Robert Habeck mit außergewöhnlich deutlichen Worten für mehr Lösungskompetenz in der Politik ausgesprochen. „Löst die Scheißprobleme, die wir jetzt haben“ („Solve the fucking problems“), sagte der Bundeswirtschaftsminister (Die Grünen) am Samstag bei einer Rede vor Studenten der New Yorker Columbia-Universität. Politiker dürften Probleme nicht einfach an die nächste Generation weiterreichen.
Angesichts einer sich verändernden Welt müsse sich auch das Denken verändern, betonte Habeck. „Politik bedeutet nicht, das zu wiederholen, was man vor 30 Jahren für richtig gehalten hat, sondern mit der Realität umzugehen, wie sie ist, wie man sie vorfindet.“
FAZ.NET 08.03.2024
Robert Habeck hat damit die Herausforderung an die Politik auf den Punkt gebracht. Ob und wie er als Minister dieser Aufgabe gerecht wird, ist eine andere Frage. Aber die Aufforderung „Löst die Probleme, indem man mit der Realität umgeht, wie sie ist“ – man könnte fortfahren: ‚und nicht, wie man es bisher gewohnt ist und wie man sich die Lage wünscht‘ – klingt wie eine Selbstverständlichkeit. Eher ist es verwunderlich, explizit darauf hinweisen zu müssen, dass alte Rezepte nicht mehr taugen und dass die Wahrnehmung der Gegenwart offenbar nicht von alleine zu einer realistischen Einschätzung führt. Was ist geschehen?
Innerhalb der letzten Jahre hat sich die außen-, sicherheits- und wirtschaftspolitische Lage drastisch verändert: wirtschaftspolitisch seit der internationalen Bankenkrise 2008, außenpolitisch seit Beginn der russischen Aggression gegenüber der Ukraine 2014 (Maidan). In erstem Fall wurde ökonomisch die Globalisierung erschüttert und infrage gestellt, im zweiten Fall kollabierte das, was man heute „die regelbasierte internationale Ordnung“ nennt, konkreter der Zusammenbruch der europäischen Friedensordnung, die nach dem Ende des Kalten Krieges 1990 ausgerufen und als politische Leitidee verwirklicht wurde – oder werden sollte. Der Traum vom „Ende der Geschichte“ (gemeint: der Konflikte, Fukuyama), vom ‚ewigen Frieden‘ (Kant), von der „Friedensdividende“ (die zu einer radikalen einseitigen Abrüstung führte), von einer europäischen Nachbarschaft, die nur von Freunden geprägt werde, machte sich in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit breit und bestimmte das neue Selbstverständnis ebenso wie die politischen Handlungsmaximen – nicht nur sicherheitspolitisch ein grandioser Trugschluss. Wo dennoch Konflikte auftauchten, sollten sie sich friedlich einhegen und bewältigen lassen (OSZE, „Merkel-Doktrin“ *), Abkommen von Minsk ). Spätestens mit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine im 2022 sind diese Maximen und ist dieser Handlungsrahmen Makulatur. Kanzler Scholz hat dafür den Begriff „Zeitenwende“ geprägt. Die Erkenntnis der Herausforderung durch die Klimakrise (besser: „global warming“), der Energiekrise und des notwendigen wirtschaftlichen Umbaus – zusammen mit einer Neujustierung internationaler Handelspartnerschaften und Handelswege (‚Globalisierung II‘, Berücksichtigung nationaler Unabhängigkeit gegenüber wirtschaftlicher Dominanz bzw. Abhängigkeit, -> China) führten zu einer grundlegenden Neubestimmung der Politik, der Bedrohungen, Gefährdungen, Herausforderungen. Zusammengefasst ergibt sich folgendes Bild:
Prompt: Gib eine Beschreibung, in welcher außenpolitischen Lage sich Deutschland befindet und welches die größten Herausforderungen sind.
Antwort Gemini (gemini.google.com):
Deutschlands außenpolitische Lage: Herausforderungen und Chancen
Zeitenwende: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine im Februar 2022 markierte eine Zäsur in der deutschen Außenpolitik. Die Bundesregierung unter Olaf Scholz proklamierte eine „Zeitenwende“ und kündigte eine deutliche Erhöhung des Verteidigungshaushalts sowie Waffenlieferungen an die Ukraine an.
Größte Herausforderungen:
- Russischer Imperialismus: Die aggressive Außenpolitik Russlands stellt eine fundamentale Bedrohung für die europäische Sicherheitsordnung dar. Deutschland muss sich auf eine dauerhafte Konfrontation mit Russland einstellen und seine eigene Verteidigungsfähigkeit stärken.
- Transatlantische Beziehungen: Die Beziehungen zwischen den USA und Europa haben sich in den vergangenen Jahren abgekühlt. Deutschland muss sich bemühen, die transatlantische Partnerschaft zu stärken und gleichzeitig seine eigenen Interessen zu vertreten.
- China: Der Aufstieg Chinas zur globalen Macht stellt Deutschland vor neue Herausforderungen. Die Bundesregierung muss eine Balance zwischen wirtschaftlicher Zusammenarbeit und Wahrung der eigenen Werte und Interessen finden.
- Klimawandel: Der Klimawandel ist eine globale Herausforderung, die nur durch internationale Zusammenarbeit bewältigt werden kann. Deutschland muss eine führende Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels spielen.
- Migrationsbewegungen: Die zunehmende Zahl von Menschen, die aufgrund von Krieg, Armut oder Verfolgung ihre Heimatländer verlassen, stellt eine Herausforderung für die deutsche und europäische Außenpolitik dar.
Chancen:
- Europäische Integration: Deutschland kann die europäische Integration weiter vorantreiben und so die Handlungsfähigkeit Europas in der Welt stärken.
- Multilateralismus: Deutschland kann sich als einer der führenden Verfechter des Multilateralismus in der Welt positionieren.
- Entwicklungszusammenarbeit: Deutschland kann sein Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit verstärken und so zu einer nachhaltigen Entwicklung in den Partnerländern beitragen.
Fazit: Die deutsche Außenpolitik befindet sich in einer herausfordernden Phase. Die Bundesregierung muss die richtigen Antworten auf die vielfältigen Herausforderungen finden, um Deutschlands Interessen in der Welt zu wahren.
Weitere Informationen:
- Auswärtiges Amt: Außenpolitik: https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik
- Stiftung Wissenschaft und Politik: Deutsche Außenpolitik im Wandel: https://www.swp-berlin.org/10.18449/2021S15/
- Friedrich-Ebert-Stiftung: Außenpolitik: Grundsätze und Entwicklungen: https://www.fes.de/wissen/aussenpolitik
[Anders als ChatGPT gibt Gemini Quellen und weiterführende Links an. Auswahl regierungsnah. –
Das trifft es schon ganz gut, wenngleich es teilweise floskelhaft klingt wie für einen Schulaufsatz. Prompt vermutlich verbesserungsfähig.]
Was folgt daraus ehrlicherweise?
- Krisenbewusstsein, Bedrohungsgefühl und Verlustangst
Dass die Bevölkerung das Aufeinanderfolgen bzw. Zusammenfallen multipler Krisen (Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Coronakrise, Klimakrise, Energiekrise, Sicherheitskrise…) wahrnimmt und darauf reagiert, ist offensichtlich. Manche öffentlichen Reaktionen muss man aber als Verdrängung deuten. Das ist eine naheliegende Reaktion mit erkennbaren Auswirkungen: Der extreme politische Rand (Rechtspopulismus) bietet zwar keine Lösungen, aber scheinbare Antworten. Spürbar wird eine „radikalisierte Gesellschaft„. Eine Bedrohung der Demokratie kann dann entstehen, wenn die „Mitte“ schwächelt oder erodiert, wenn Pluralismus, Deliberation und Liberalität schwinden. Populistische Gruppierungen und vor allem die AfD werden noch immer unterschätzt. Die anstehenden Wahlen werden vor allem im Osten einen massiven Rechtsruck bringen. - Realität endlich anerkennen, wie sie ist.
Das wäre eigentlich das Wichtigste: den Schock der Veränderungszumutung überwinden, vergessen, was zurückliegt, und entschlossen und mutig nach vorne schauen – das gilt für Politik und Bürgerinnen. Weder ‚Politik‘ noch große Teile der Bevölkerung scheinen schon erkannt zu haben, was eigentlich die neuen Herausforderungen und Bedrohungen bedeuten: Bereitschaft zu verstärkter Rüstung und Verteidigung, Akzeptieren neuer Schwerpunkte (Klimapolitik, Energiewende), vor allem auch die Bereitschaft für neue Technologien und Lösungswege. Deutschland lebt gerne mit Träumereien und Wunschvorstellungen. Die Generation nach dem von außen erzwungenen (!) Ende des Nationalsozialismus und dem Ende des Zweiten Weltkrieges hat lange die Augen vor der bitteren Realität verschlossen, dass die selbst gewählte deutsche Geschichte der vergangenen Jahrzehnte in eine furchtbare Katastrophe in Deutschland und Europa geführt hatte. Das war selbst verschuldet – und wurde (und wird heute erneut) nur widerwillig anerkannt (siehe der geschichtsrevisionistische „Historikerstreit„). „Vergangenheitsbewältigung“ wurde zum negativen Begriff, statt dessen lieber alles „ruhen lassen“, einen „Schlussstrich“ ziehen. Bis es in Deutschland zu einer Aufarbeitung der Vergangenheit kam, hat es lange gedauert, zu lange, zu viele dumpfe Jahre. Erst langsam setzte sich die neue Realität und die Akzeptanz von „Demokratie“ und „Sozialer Marktwirtschaft“ durch. Gerade letztere war mit dem Wohlstandsversprechen eine Art Bedingung dafür, dass Deutsche sich in ihrer Mehrheit mit etwas mehr Demokratie und sogar Liberalität anfreunden konnten. So richtig gelang das aber nie, wie sich heute in manchen Teilen der Gesellschaft zeigt, – vor allem im Osten. Die AfD greift alle alten Urteile und Vorurteile wieder auf („Vogelschiss“), als wäre nichts gewesen. Und wieder folgen diesen Sirenengesängen viel zu viele Menschen – wie gesagt, vor allem im Osten. Wie heißt es bei Bert Brecht? ‚Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber‘. - Erreichtes bewahren kann man nur, wenn man bereit ist, alles zu verändern.
Es ist klar, und viele wissen das recht gut: Das muss jetzt unbedingt geschehen. Das gilt für den Umbau der Wirtschaft im Hinblick auf die neue Energiesituation, Facharbeitermangel, Krise der Globalisierung,weltweite Migration usw. Ferner der Umbau der Sozialsysteme auf Zukunft hin: Die Zeit, in der soziale Probleme grenzenlos mit Geld zugeschüttet werden konnten, ist definitiv vorbei. Dass 30 % des Bundeshaushaltes für ein dysfunktionales Rentensystem verwendet werden plus weiterer Milliarden für Sozialprogramme, kann nicht bestehen bleiben. Hier ist zumindest ein Begrenzen ohne weiteren Zuwachs erforderlich – besonders im Interesse der jungen Generationen. Dass auch die militärische Sicherheit Deutschlands eine vorrangige Aufgabe werden muss, liegt klar auf der Hand, und das schließt die „Cyber – Sicherheit“ ein. „Zeitenwende“ war ein ohnehin schiefes Schlagwort, gewendet hat sich gar nichts, nur die Selbsttäuschung und Realitätsverweigerung sollte und muss beendet werden. Die SPD scheint sich davon bereits wieder zu verabschieden („Ein Basta wie im Obrigkeitsstaat“ von Martin Schulze Wessel) Dabei gilt es endlich klug zu werden: ökonomisch, politisch, militärisch, sozial – um vorbereitet / resilient zu sein gegenüber Angriffen auf unsere Freiheit, Demokratie und liberale Kultur im Innern und von außen. Der Westen kann von den Balten lernen: „Seit einigen Jahren ist auch Estland im Krieg, so bewertet es zumindest dessen Botschafterin in Berlin, Marika Linntam: „Russland führt mit seinen Cyber-Angriffen und mit der Verbreitung von Desinformation im Wesentlichen einen Schattenkrieg gegen unsere Gesellschaften und Demokratien.“ @faznet
Wir müssen vorbereitet sein auf weitgehende Veränderungen, um unseren Wohlstand und unsere freie Gesellschaft zu bewahren. Sonst wird der erforderliche Umbruch zu einem Abbruch oder Zusammenbruch all dessen, was wir, zumindest viele, die meisten von uns, bisher als „unsere“ Errungenschaften in der (west-) deutschen Demokratie halten.
Anmerkung
*) Seit 2014 sieht Merkel Putin noch kritischer und war zur Verblüffung gerade amerikanischer Beobachter bereit zu EU-Sanktionen gegen Russland, die auch die deutsche Wirtschaft trafen. „Wir sagen, das ist Fortschritt, dass wir im 21. Jahrhundert in Europa Konflikte nicht militärisch lösen. Nur muss man sich fragen, was tut man dann? Einfach Schwamm drüber? Was haben wir an Mitteln? Man kann nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, begründete sie dies mit Blick auf die Annexion der Krim.
https://internationalepolitik.de/de/die-kanzlerin-der-krisen-eine-bilanz
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