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Globales Trio – oder Duo?


Weltpolitische Zeitenwende im ersten Viertel des 21. Jahrhunderts


Wie schon öfter in der Geschichte stehen große Teile der Menschheit an einem Wendepunkt: Machtsphären werden neu aufgeteilt. Das Besondere liegt heute darin, dass es um die Verteilung der Macht auf dem gesamten Globus geht.

Das „Great Game“ im 19. Jahrhundert wurde vom Britischen Empire und dem russischen Zarenreich um die Vorherrschaft in Zentral- und Südasien ausgefochten; der „Scramble for Africa“ entspann sich Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts zwischen den europäischen Mächten um die koloniale Vorherrschaft über Afrika; in der Konferenz von Jalta 1945 wurde der Ausgang des 2. Weltkrieges mit der Festlegung von Einflusszonen in Europa zwischen den Siegermächten Vereinigte Staaten, Vereinigtes Königreich und der Sowjetunion besiegelt. Ebenfalls einen großen Krieg in Europa beendete und besiegelte im 17. Jahrhundert der Westfälische Friede und später nach dem Ende des Kaisertums Napoleons der Wiener Kongress 1814/1815. Diese Kriege und Friedensschlüsse waren immer auch Neuverteilungen von Macht und Herrschaft in bestimmten Teilen der Welt, in diesen Beispielen vor allem in Europa. Meinte man auch 1990 nach dem Zusammenbruch der UdSSR, nunmehr sang- und klanglos in ein neues, goldenes Zeitalter ohne Großmachtkonflikte bzw. mit der Dominanz nur einer einzigen Großmacht, der USA, einzutreten, so zeigte sich schon wenige Jahre später, dass das neue Russland, die russische Föderation unter Putin, keineswegs gewillt war, in Europa zur Tagesordnung überzugehen. 2005 erklärte Putin, dass „der Zusammenbruch der Sowjetunion die größte geopolitische Katastrophe des Jahrhunderts“ war. Spätestens ab diesem Zeitpunkt verfolgte die Russische Föderation eine dezidiert revisionistische Politik zum Beispiel gegenüber Belarus und vor allem gegenüber der Ukraine: Ein Land im vermeintlich russischen Glacis drohte zum Westen zu wechseln, unannehmbar für die neoimperialen Vorstellungen des Autokraten Putin. Damit ist ein wesentlicher Mitspieler eines globalen Trios auf dem Plan.

Die zweite Macht auf dem globalen Spielfeld ist China unter Xi Jinping (Staatschef seit 2013, inzwischen auf Lebenszeit). Konsequenter als sein Vorgänger Hu Jintao und des „Führers“ Deng Xiaoping ist es Xis Bestreben, China wieder zu seiner ‚angestammten‘ Größe als Weltmacht zu führen, wirtschaftlich, militärisch und geopolitisch zu den USA aufzuschließen, sie schließlich zu überholen und seine Dominanz im asiatisch-pazifischen Raum zu behaupten. Weitere Regionen, besser Erdteile sind durchaus im Blickfeld Xis wie Afrika oder Süd- und Mittelamerika (One belt One Road Initiative). Dass ein imperiales China seine ‚lokalen‘ Konflikte zu seinen Gunsten und Bedingungen lösen möchte, (Hongkong, Tibet, Uiguren, Taiwan, Indien?), versteht sich von selbst. Xi Jinping ist ein im Grunde unumschränkt herrschender Staatsführer der Volksrepublik, der den globalen Machtanspruch Chinas so deutlich und selbstbewusst artikuliert wie keiner seiner Vorgänger. Mit wachsendem Anspruch gerät er dabei zusehends und kalkuliert in Interessenkonflikt mit dem Ersten der globalen Drei oder Zwei, mit den USA.

Die Vereinigten Staaten von Amerika besonders unter der zweiten Präsidentschaft Donald Trumps sieht sich herausgefordert und ist bereit, machtpolitisch neu aufzutrumpfen: Make America great again. Diese Absicht repräsentiert Trump jetzt ganz unverhohlen und positioniert die USA als nach Möglichkeit einzige imperiale Weltmacht mit aller Macht und allen „Rechten“ des Stärkeren. Der selbstverständliche Griff nach Panama, Mexiko, Kanada, Grönland, Gaza (was kommt noch?) dürften nicht bloß großmäulige Rhetorik sein. Es ist das neue Denken und Handeln einer imperialen Großmacht, die sich ihr Recht und ihren Vorteil nehmen und sich allenfalls durch Ebenbürtige oder (undenkbar!) Mächtigere bremsen lassen will. Trump hat oft genug seine Bewunderung für autokratische Herrscher wie Putin oder Xi (lebenslang!) gezeigt. Nur mit Weltmacht-Herrschern wie ihnen möchte Trump am Rouletttisch sitzen. Ob Putin wirklich dazugehört, werden Xi und Trump noch miteinander auszumachen haben. Es sind wirklich neue Zeiten angebrochen – multinationale Vereinbarungen, Abkommen und Institutionen sind nur noch von Belang, wo sie dem Durchsetzen eigener imperialer, das heißt wirtschaftlicher, finanzieller und politischer Interessen nützen. Gebunden fühlt sich in dem globalen Trio keiner, – durch niemand und nichts außer durch Gegenmacht und durch größerer militärischer Stärke. Die bis zuletzt hoch gehaltene „regelbasierte Ordnung“ ist perdu, ein Trümmerhaufen.

Es dürfte aufgefallen sein: Europa kommt machtpolitisch nicht vor, ebenso wenig wie Afrika, Südamerika, Indien, Australien, die BRIC- Staaten, zu denen ja auch Russland gehört. Länder wie unseres können sich nur noch gegenüber den neuen Imperien ‚verhalten‘ – auf möglichst kluge Weise, um den eigenen Schaden, die eigene Einflusslosigkeit so gering wie möglich zu halten. Die Europäische Union ist jetzt, wo es auf Einigkeit und Stärke ankäme, gespalten, wirtschaftlich geschwächt und geopolitisch ohne konkrete, gar einheitliche Perspektive. Es wird einiges geschehen müssen, um sich als Land, Erdteil und „Wertgemeinschaft“ zu behaupten – und nicht völlig unterzugehen als Zulieferer, Vasall und untergeordneter „Partner“ unter amerikanischer oder chinesischer Macht – denn auch Russland ist nur Spielball im Machtpoker der großen Zwei: Allein China und USA ringen um die Vormacht.

Das müssen nicht einmal trübe Aussichten sein, wenn man die neuen Realitäten anerkennt und seine eigenen Stärken und Möglichkeiten geschickt nutzt. Der Weg zu einem neuen Realismus der deutschen Politik in der weltpolitischen Machtkonstellation wird mühsam und kostspielig sein, aber durchaus auch Chancen bieten, wenn man sich der Vorteile einer liberalen Demokratie bewusst bleibt und sich nicht von populistischen Rattenfängern verführen lässt. Das zumindest haben wir noch selber in der Hand.


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