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Gaucks Deutschland

Wir haben besondere Erwartungen an den neuen Bundespräsidenten Gauck. Wir sollen und dürfen sie haben, denn das ist nach den jüngsten Erfahrungen gut so.

Heute wird die Bundesversammlung Joachim Gauck zum 11. Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland wählen. Es ist zum Thema Wulff, ‚BuPrä‘ und dann Gauck so viel öffentlich geschrieben worden, dass kaum etwas Neues dazu gesagt werden kann. Und doch sehe ich mich bemüßigt, noch eine persönliche Note beizutragen.

Ich gehöre zu einer Generation, die alle Bundespräsidenten dieser Republik bisher erlebt hat, bin ich doch im Jahr der Währungsreform (D-Mark) und gut ein halbes Jahr vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland geboren. Bundespräsidenten hatten und haben immer ein besonderes Flair. Das Amt des ersten Repräsentanten ist das höchste Amt in unserem Staat, aber der Bundespräsident ist in seiner Position bewusst „schwach“, strikt begrenzt auf Symbolik und Repräsentation. Seine wenigen wirklich politischen Befugnisse (z.B. Ausfertigung von Gesetzen) sind an sehr enge Grenzen gebunden.  Aber auch das Symbolische und Repräsentative dieses Amtes unterliegt engen Grenzen, so sehr, dass es sich kaum zu einer emotionalen Identifikation für die Bürger eignet. Der Bundespräsident ist eben kein „gekröntes Haupt“ und auch kein machtvoller „Monsieur le Président“ oder gar „Mr. President“. Dies hat bestimmte geschichtliche Gründe, die ich gut nachvollziehen kann, ohne jetzt darüber spekulieren zu wollen, ob das nun zeitgemäß ist oder verändert werden sollte, mit welchem Ziel auch immer. Für meine politische Wahrnehmung ist das lebenslang eine Gegebenheit, die eben so ist, wie sie ist, und die auch recht gut funktioniert und sich durchaus als sinnvoll erwiesen hat.

Das Amt strahlt eine eigene Würde aus, hat Günter Bannas gestern in einer guten Reportage über „Schloss Bellevue von innen“ ausgeführt. Zugleich strahlt es eine bestimmte Distanziertheit aus, die auch alles Reden von einem „Bürgerpräsidenten“ nicht aufheben kann. Eben in dieser Distanz brauchen wir unseren Bundespräsidenten. Denn, so wurde oft gesagt, sein Amt lebt allein vom Gewicht seines Wortes. Das mag richtig sein, wenn man die persönliche Statur, den Charakter und die Ausstrahlung des Amtsinhabers hinzu nimmt, die dem Wort allererst Gewicht und Gehör verleihen. Weil Joachim Gauck ganz gewiss ein Mann des Wortes ist, darf man gespannt sein, welche Worte er als Bundespräsident für Deutschland und die Welt, für uns Deutsche, hier geboren oder zugewandert, mit den jeweils eigenen biografischen Hintergründen, finden wird. Die Erwartungen dürfen hoch sein; dazu ist das Amt da, dazu ist jetzt Joachim Gauck da.

Dies gilt umso mehr, als besonders der letzte Amtsinhaber offensichtlich für das Amt ungeeignet, weil zu „klein“ geraten war. Darum weist Kurt Kister, Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, in  einem besonnenen Beitrag auf zwei Erwartungen hin, die jetzt an diesen neuen Bundespräsidenten gerichtet sind:

… bleibt eines beim Blick auf die Wahl wichtig, so seltsam es auch klingen mag: Nach Horst Köhler und Christian Wulff ist eine von Joachim Gaucks bedeutendsten Aufgaben, dass er sein Amt von Sonntag an bis zum Ende der Wahlperiode in fünf Jahren auch ausübt – vorausgesetzt jener Gott, an den auch Gauck glaubt, gibt ihm die Gesundheit dafür.

Diese scheinbar äußerliche Erwartung hat nach den jüngsten Erfahrungen erst Gewicht bekommen: Das Amt des Bundespräsidenten dürfe man nicht wie einen Mantel ablegen können. Recht hat er, und ein neuer Maßstab ist damit gesetzt. – Und das andere zur inhaltlichen Erwartung:

Joachim Gauck ist geprägt von dieser Vergangenheit [der deutschen Teilung], viel stärker als seine beiden Vorgänger. Was des Deutschen Vaterland ist, wissen wir heute wieder. Wer aber die Deutschen sind, wer dazu gehört und was dieses Dazugehören an Rechten und Pflichten bedeutet, das ist die neue deutsche Frage. Wenn es gut wird, bietet Gauck darauf Antworten an.

Ich kann mich darin gut wieder finden. Wir sind gespannt auf Joachim Gauck – und wir dürfen es sein!

UPDATE vom 19.03.2012 nach der Wahl

Eine sehr schöne Darstellung und zutreffende Einschätzung gibt Bettina Mönch in ihrem heutigen FAZ-Artikel „Freiheit als Ermutigung“.

Ebenso lesenswert und gut formuliert, allerdings mehr aus „barock“ bayrisch-katholischer Sicht schreibt Heribert Prantl (sic!) in der Süddeutschen Zeitung  „Präsident Moses“.

Und schließlich sei auf den ausgezeichneten schweizerischen Blick auf Gauck verwiesen, wie Ulrich Schmid ihn für die Neue Zürcher Zeitung vornimmt „Ein liberalkonservativer Herold er Freiheit“.