Ist Heidegger unvermeidlich? So fragt Hans Ulrich Gumbrecht in seinem aktuellen Beitrag im FAZ-Blog DIGTAL/PAUSEN. Es sind sehr kluge und kritische Überlegungen, inwieweit man einen deutschen Philosophen, der dem Nationalsozialismus nahe stand und sich nie ausdrücklich von seinen völkischen Positionen distanziert hat, nicht nur Aktualität beimessen und Aufmerksamkeit schulden sollte, sondern ob es gar zum Schaden des eigenen Denkens und Wahrnehmens der Gegenwart wäre, wenn man Heidegger vermiede, ihm also auswiche.
Gumbrecht beschreibt seinen Weg gegen und mit Heidegger und stößt in der gegenwärtigen Situation einer vielfältigen Aporie erneut auf ihn als den Denker einer Gegenwart und Selbstmächtigkeit des Seins. ‚Wahrheit zeigt sich.‘ Denn Subjektivismus und Konstruktivismus haben ebenso an Überzeugungskraft verloren wie der breite Strom der analytischen Philosophie der Moderne; der linguistic turn wirkt heute nur noch als nutzlose Spielerei. ‚Postmoderne‘ heißt auch: Philosophie treiben angesichts und zum Trotz der Ideologien der Neo-Konservativen, der Neo-Liberalen, der Finanzjongleure und Sicherheitsfanatiker, angesichts von Fukushima und Klimawandel. Solls kein Glasperlenspiel sein, so müsste sich die Philosophie wieder der „breiten Gegenwart“ (so ein Buchtitel Gumbrechts) zuwenden, um in der Zeit präsent zu sein.
So lautet sein vorläufiges Fazit: „Aber im Kontext der Herausforderung, zwischen dem abgewirtschafteten Konstruktivismus und den längst feststehenden Grenzen der Subjekt-Philosophie das Denken zu neuer Bewegung zu bringen und seine Lähmung zu überwinden, in diesem gegenwärtigen Kontext können wir es uns kaum leisten, Heidegger zu vermeiden.“
Wahrscheinlich hat Gumbrecht recht.