Man hat oft den Eindruck, gleichzeitig in vielen Welten zu leben. Viele Welten bedeutet viele Weisen, die Welt in den Blick zu nehmen und sich auf möglichst breiter Basis eine Meinung zu bilden. Das Netz ist ein weiteres Medium dazu mit eigenen Kommunikationsweisen. Aber es ist zum Glück nicht das einzige. Die Welt wäre sonst wirklich zu eindimensional.
Immer wieder bekomme ich den Eindruck, ich lebte gleichzeitig in vielen Welten. Nun, sagen wir besser: in vielen sehr unterschiedlichen Ausschnitten der Wirklichkeit. Ich meine weniger die unterschiedlichen Rollen, die man selber in verschiedenen sozialen Umgebungen spielt, sondern mehr diejenige Sicht auf die Welt, wie sie sich mir aus den unterschiedlichsten Medien darstellt. Gerade auf die Schwerpunktthemen kommt es mir an. Die sind total unterschiedlich (geworden). Höre ich hier in Bayern Radio, dann ist heute die Verabschiedung von Magdalena Neuner immerhin eine Top-Meldung der Nachrichten, dazu weiteres meist Lokales / Regionales. Das Günther Grass – Gedicht neulich hat den Blätterwald der Zeitungen mächtig aufgemischt, und sogar die Tagesschau / Tagesthemen haben sich dem Thema gewidmet. In meinem mehr privaten Umfeld (ok, daran mags liegen!) hat das niemanden wirklich interessiert, mich selber eigentlich auch nicht, habe von Grass noch nie viel gehalten. Die Aufmacher der TV-Nachrichten in den letzten Tagen waren überwiegend dem Syrien-Konflikt gewidmet, allenfalls noch den Benzinpreisen zu Ostern. Mmh, war das wichtig, oder inwiefern ist das nun gerade wichtig? Schaue ich ins Web und lese bei Twitter, Google und in diversen Blogs, dann sind es ganz andere Themen, die vorherrschend sind, wie zum Beispiel das Urheberrecht (der Brief der 51 Tatort-Autoren machte viel Wirbel) oider die positiven Umfragewerte für die Piraten. Die regionalen Beiträge über NRW und SH sind natürlich oft vom Wahlkampf dort bestimmt, aber auf mein Display kommt da nicht so viel. Und als ein erstaunlicherweise viel diskutiertes „Aufmerksamkeits-Thema“ war und ist die Neugestaltung des Layouts bei Google+. Letzteres zeigt allerdings sehr deutlich die enge Brille auf die eigene Welt, die Netzthemen oft haben.
Überhaupt scheinen mir die Themen des Netzes immer deutlicher unterschieden von den Themen – nein nicht der real world, sondern der Themen der Zeitungen (online) und TV-Nachrichten und Magazine. Sieht man einmal vom Thema ACTA ab, das ja ein europäisches, also kein nur nationales Thema ist, dann sind aus meiner Sicht die meisten Netzthemen doch sehr national begrenzt, eigentlich erstaunlich. Ob Urheberrecht oder Vorratsdatenspeicherung, ob Piraten oder „Netzpolitik“ (was Internet-relevante Themen bedeutet), ob befürchtete Zensur oder seinerzeit eben der „Bundes-Trojaner“, stets sind es rein national begrenzte Themen. Das Thema Transparenz, immerhin aus interationalen Kampagnen gegen Korruption bekannt und bestimmt, findet sich in den sozialen Netzwerken wiederum als rein deutsches Netzthema wieder als die Forderung nach mehr Offenheit und Verständlichkeit mit dem Ziel der Mitwirkung bei der öffentlichen, also politischen Willensbildung. Und das Thema EURO oder Energiewende, mit allem, was dran hängt, ist im Sozialen Netz nicht nur bei den Piraten ein Non-Thema.
Nun sind die Themen bei Twitter und G+ ja stets davon abhängig, welche Auswahl im Following bzw. in den Kreisen man getroffen hat, sind also von vornherein subjektiv eingegrenzt. Aber auch bei einer durchaus breiter gestreuten Auswahl kommen etwa durch Retweets und erneutes Teilen (Weitergabe von Infos) kaum wirklich neue Themen und Meinungen ans Licht. Ich will hier nicht über die Theorie der „Filter-Blase“ spekulieren, aber mir drängt sich der Eindruck auf, dass internationale Themen kaum echte Netzthemen sind. Ausnahme: Occupy, aber der Hype ist auch wieder verflogen. Und wenn das richtig ist, wäre das mehr als erstaunlich: Web-Themen verengen den Horizont und begrenzen den Tellerrand, anstatt ihn zu erweitern.
Da bin ich dann froh, zum Beispiel im Auslandsjournal (ARD) oder bei 3SAT und sogar in den Tagesthemen oder im Heute-Journal und erst recht im politischen Teil der Presse über Themen des Auslands wirklich Informationen zu erhalten und über Entwicklungen wie zum Beispiel derzeit in Tunesien und Ägypten ‚aufgeklärt‘ zu werden. Das „Netz“ hilft mir da wenig. Insofern ist es gut, die Wirklichkeit aus unterschiedlichen Medien und Perspektiven wahrzunehmen. Viele Welten bedeutet viele Weisen, die Welt in den Blick zu nehmen und sich auf möglichst breiter Basis eine Meinung zu bilden. Das Netz ist ein weiteres Medium dazu mit eigenen Kommunikationsweisen. Aber es ist zum Glück nicht das einzige. Die Welt wäre sonst wirklich zu eindimensional.
2 Antworten auf „Viele Welten“
Das Problem nationaler Begrenzung ist ein Problem der Vielsprachigkeit des europäischen Raumes. Die die über die Landesgrenzen hinausgehen werden ja unsichtbar, weil sie plötzlich Englisch in Foren dieser Welt reden. Aber es gibt sehr sehr viele davon.
Schon richtig, das nehme ich auch wahr, gewiss gibt es viel englischsprachige Diskussion. Aber da werden keine Themen gesetzt, die bei uns die Diskussion bestimmen.