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>Fragwürdig oder belanglos?

>Der Evangelische Kirchentag in Dresden ist gerade eine Woche vorbei, und von wesentlichen Anstößen ist rein gar nichts zu vernehmen. Dass medial nichts mehr zu hören ist, liegt allerdings weniger an der Bedeutung(slosigkeit) dieses Kirchentages als daran, dass eben andere, wichtigere Meldungen („EURO“) die Schlagzeilen beherrschen. Es ist allerdings auch kaum zu erwarten, dass Impulse des Kirchentages spürbar würden, weil es offenbar keine gegeben hat. Jedenfalls ist sich die Berichterstattung weitgehend einig, dass da zwar viel politischer Themenreichtum vorhanden war, dieser sich aber kaum von den Themen der gesellschaftlichen Linken, Ökos und Grünen unterschied. Die SPD ist schon längst nicht mehr ‚everybodys darling‘ auf Kirchentagen, die Grünen könnten es werden, nicht allein in der Person der Kirchentagspräsidentin Karin Göring-Eckhardt. Stärker bleibt aber der Eindruck, dass die Kluft zwischen einer EKD-seits betonten Gesinnungsethik, neuerdings „Prinzipienethik“ genannt (siehe den FAZ – Beitrag Bingeners), und einer pragmatischen, lutherisch orientierten Verantwortungsethik größer wird. Dies zeigte nicht zuletzt der Disput zwischen dem EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider und Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière. Unter den EKD- und Kirchentagsoberen und offenbar auch unter der Mehrheit der Kirchentagsbesucher spielt aber eine theologisch reflektierte und modernisierte gut protestantische Zwei-Reiche-Lehre kaum eine Rolle – wie seit Jahren schon. Klare ethische Prinzipien sind gefragt, die bedingungslos und darum bisweilen sehr wirklichkeitsfern durchgesetzt werden sollen. Da gerät dann die Predigt schnell zur Bühne für politische Bekenntnisse, wie zum Beispiel Frau Göring-Eckhardt beim Abschlussgottesdienst:  „Ja, wir wollen keine Von-Oben-Politik, sondern sind die Dafür-Republik. Fragt uns, diskutiert fair, hört auf kluge Einwände, bevor ihr große Entscheidungen trefft, zu Bahnhöfen, zu Flughäfen, zu Kraftwerken und Krankenversicherungen“, sagte sie. Das sind also die Themen evangelischer Christen? Nun, das „Fenster zum Himmel“ forderten sie auch, aber das Herz von Pfarrerin Trautwein schlug eindeutig auf anderem Gebiet. Das Leben hier und heute sei nicht alternativlos. Wo Menschen Irrwege nicht fortsetzten, wie etwa bei der Atomkraft, leuchte etwas vom Reich Gottes auf, sagte sie. „Mitten unter uns ist noch viel möglich. Die Welt geht nicht einfach den Bach runter.“ Das zumindest hatte Martin Luther noch anders gesehen.

Dass es mit den Kirchen, auch mit den protestantischen, viel eher ‚den Bach runter geht‘, das vergaß man leicht und gern im überwältigen Jubel und Trubel der großen Publikumsresonanz im doch eigentlich so kirchenfernen Dresden. Immerhin werden voraussichtlich auch in diesem Jahr wieder so viele evangelische Christen ihre Kirchen verlassen als es Besucher auf dem Kirchentag gab, nämlich ca. 150.000. Auf diese eigentlich beunruhigende Tatsache musste allerdings ein Gast aus der Schweiz hinweisen, der Professor für Praktische Theologie aus Zürich, Thomas Schlag. Ob das auch etwas mit der „Banalisierung des Glaubens“ und einer vorherrschenden „Trivialmoral“ (Reinhard Bingener) zu tun hat oder mit der vor allem von jüngeren Pfarrerinnen propagierten Vorliebe für einen „kleinbürgerlichen Kuschelgott“, den Friedrich Wilhelm Graf  so geißelt? Nun, auf einem Kirchentag sollte auch darüber nachgedacht werden, aber das geht nun  frühestens in Hamburg in zwei Jahren wieder…